Wie der Berufseinstieg von sehbehinderten Jugendlichen gelingen kann

von Margaretha Glauser und Jolanda Schönenberger

Eine erfolgreiche berufliche Integration von blinden und sehbehinderten Jugendliche und jungen Erwachsenen hängt von verschiedenen Faktoren ab: Kommunikative Fähigkeiten und die realistische Einschätzung persönlicher Ressourcen und Grenzen gehören dazu. Ebenso Konfliktfähigkeit, Zuverlässigkeit und Arbeitshaltung. Bei der Stellensuche sind ausserdem ein grosses Selbstvertrauen und ein enormer Durchhaltewillen gefragt.

Ein erfolgreicher Berufseinstieg ist das Ergebnis eines langen Lernprozesses, der sich mit dem Wachstum eines Baumes vergleichen lässt: Die Wurzeln liegen in der Kindheit, denn der natürliche Umgang mit der Sehbehinderung (oder der Blindheit) im Familienleben ist von zentraler Bedeutung.

Die Schulzeit lässt sich mit dem Stamm des Baumes vergleichen. Sowohl in der öffentlichen Schule als auch in der Sonderschule sollte das blinde oder sehbehinderte Kind – neben fachlichem Wissen – auch Sozialkompetenz entwickeln und Strategien zur erfolgreichen Bewältigung des Alltags erlangen: Die Mobilität und die alltäglichen lebenspraktischen Fertigkeiten werden gefördert, um eine möglichst grosse Selbstständigkeit zu erreichen. Ausserdem müssen verschiedene Prozesse unterstützt werden, um Isolationen und Frustration vorzubeugen: Auseinandersetzungen mit der eigenen Person und der jeweiligen Augenkrankheit, die soziale Interaktionsfähigkeit − vor allem mit Sehenden − und das Freizeitverhalten. Darüber hinaus sollte sich der sehbehinderte Jugendliche während der Schulzeit auch mit der Berufswelt auseinandersetzen und beginnen, praktische Erfahrungen zu sammeln. Der Einstieg ins Berufsleben muss, unter Einbezug aller Beteiligten und der IV-Berufsberatung, sorgfältig geplant werden.

Haltung des Arbeitgebers ist wichtig
Die Berufslehre bildet die Krone des Baumes und beinhaltet den anspruchsvollen Übergang von der Schule zum Beruf, in dem die Unterstützung durch Fachpersonen des ambulanten Dienstes (Beratung und Unterstützung B&U) fundamental ist. Diese müssen neben pädagogischen Fähigkeiten auch über beraterische Kompetenzen verfügen, um zwischen sehbehindertem Jugendlichen, IV-Stelle, Ausbildner, Lehrpersonen und Schulleitung vermitteln zu können. Doch auch die Haltung der Arbeitgeber ist wesentlich: Ihre Bereitschaft, die sehbehinderte oder blinde Person nicht als defi zitär, sondern als Mensch und Fachkraft mit Ressourcen zu betrachten und ihre Stärken und Kompetenzen zu nutzen, ist Voraussetzung für eine erfolgreiche berufl iche Integration. Der Berufseinstieg nach der Lehre kann mit den Früchten des Baumes verglichen werden. Damit der Baum Früchte tragen kann, muss man ihn − wie oben beschrieben − von Anfang an gut pfl egen, ihm ein natürliches Umfeld bieten und sein Wachstum unterstützen. In diesem Sinne muss eine sehbehindertenpädagogische Begleitung über alle Stufen hinweg sichergestellt werden.

Margaritha Glauser ist Lehrperson des ambulanten Dienstes der Stiftung Zollikofen, Jolanda Schönenberger ist sehbehindert, Studentin und seit 2005 in der ambulanten Beratung tätig.