Mein Glaukom ist ein Geburtsgebrechen, eine dominante Neumutation. Ich habe keinen Schlemm-Kanal, daher ist der Augendruck sehr hoch. Meine Mutter hat das festgestellt, als ich noch ein Säugling war, anhand der Art und Weise, wie ich geschaut habe. Als Baby mit drei Monaten bin ich Anfang der 60er Jahre in Zürich operiert worden. Die so gennante Trabekulektomie wurde zum ersten Mal bei einem Kind in der Schweiz durchgeführt. Leider hat die Operation nicht funktioniert, auch bei späteren Versuchen nicht. Es ist nie gelungen, den Kanal künstlich herzustellen.

Das führte dazu, dass beide Augen Schaden genommen haben. Zuerst die Myopie, die Verlängerung des Auges aufgrund des Augeninnendrucks, dann war der Sehnerv angegriffen. Ich habe praktisch nie mehr als 30 Prozent gesehen. Diese Sehfähigkeit war nach meinem Empfinden bis zum 25. Lebensjahr stabil, dann hat es sich verschlechtert.

Die Problematik ist nicht alleine der Augeninnendruck; der ist medikamentös gut eingestellt mit Augentropfen. Sondern aufgrund der starken Myopie sind die Augen anfällig für eine Reihe anderer Probleme und Zusatzkrankheiten: mit 30 kam es zum ersten Katarakt, dann zum zweiten, es folgten Komplikationen mit Netzhautablösungen, zudem Glaskörperprobleme, Hornhausverkrümmungen mit mehrfachen Transplantationen – eines führte zum anderen.

Mittlerweile sehe ich auf einem Auge gar nichts mehr und auf dem anderen noch etwa zehn Prozent. Vor einer Hornhauttransplantation hatte ich allerdings auch eine Weile gar nichts mehr gesehen; ich bin also einer der seltenen Fälle, deren Sehfähigkeit sich wieder ein stückweit verbessert hat. Als Folge der Transplantationen muss ich Medikamente gegen die Abstossung der Hornhaut nehmen. Neben den Tropfen zur Senkung des Augendrucks bekomme ich aktuell auch Spritzen, die die Feuchtigkeit der Netzhaut lindern sollen – das ist aber nur ein kleiner Eingriff.

Durch die Sehbehinderung hat sich vieles geändert. Im privaten Bereich ist es so, dass ich viele Sportarten nicht mehr ausüben kann. Meinen ursprünglich erlernten Beruf als Chemiker konnte ich nicht mehr ausüben, das wurde zu gefährlich. Aber ich habe BWL studiert und führe heute eine eigene Firma, die im Laborhandel tätig ist. Als Selbstständiger bin ich privilegiert und laufe weniger Gefahr, den Arbeitsplatz zu verlieren, da ich Tätigkeiten, die ich nicht mehr schaffe, an andere delegieren kann.

Eine Folge der Augenkrankheiten war, dass ich mich für die Thematik sehr interessiere und auch engagiere. Beim SBV bin ich aktives Mitglied. Daneben setze ich mir sehr für die so genannte Armutsblindheit in der Dritten Welt ein und präsidiere und ein Hilfswerk, das Operationen in diesen Ländern ermöglicht.

 

Roland Studer

Aufzeichnung: Ann-Katrin Gässlein