von Vera Jochum

Verstärkte Eingliederung und Verbleib im Erwerbsleben – dieses Ziel soll mit beiden Massnahmenpaketen der 6. IV-Revision erreicht werden. Diesen Wunsch dürften auch die meisten sehbehinderten und blinden Personen teilen. Aber stellt die Revision das richtig Instrumente dafür bereit?

Eine gelungene Eingliederung ins Berufsleben hängt von verschiedenen Faktoren ab. In der heutigen Berufswelt sind eine gute berufliche Qualifikation, soziale Kompetenzen und ein souveräner Umgang mit den Hilfsmitteln und der eigenen Behinderung entscheidende Voraussetzungen. Auf der anderen Seite müssen die Ängste und falschen Vorstellungen der Arbeitgeber, die geeignete Arbeitsplätze für Menschen mit einer Sehbehinderung zu Verfügung stellen könnten, abgebaut und korrigiert werden. Schliesslich braucht es auch noch ein Quäntchen Glück, dass man zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort seine Bewerbung platzieren kann.

Die neu geschaffenen Möglichkeiten eines Personalverleihs – ein Modell, bei dem Menschen mit Behinderung via Personalverleih an einen Arbeitgeber vermittelt werden, der zunächst die Versicherungen trägt – zielen aus meiner Sicht in eine gute Richtung. Arbeitgeber und -nehmer können ausprobieren, ob die richtige Person am richtigen Ort ist, und die Arbeitgeber tragen hierbei kein Risiko. Dadurch können sie sich auf eine neue Erfahrung mit einem sehbehinderten Mitarbeiter einlassen. Wichtig ist aber, dass dieser Versuch eng von einer kompetenten Fachperson begleitet wird. Eingliederungsfachleute im Bereich Sehbehinderung müssen dafür speziell geschult werden, um eine kompetente Beratung und Begleitung des Arbeitgebers und der betroffenen Person sicher zu stellen. Dieses spezialisierte Wissen ist jedoch in den letzten Jahren bei den IV-Stellen mehr und mehr verloren gegangen. Die Hilflosigkeit einiger Berater gegenüber blinden Personen ist sowohl für die Betroffenen als auch für die Arbeitgeber deutlich spürbar und wenig motivierend.

IV: Weniger grosszügig

Hinderlich ist auch der finanzielle Druck zum Sparen. Waren die IV-Stellen noch vor wenigen Jahren eher grosszügig in der Finanzierung von Umschulungen und erstmaligen beruflichen Ausbildungen, sieht die Situation heute anders aus. Vor allem junge Menschen, die länger brauchen, um ihr Potential voll entfalten zu können, spüren das. So lehnte eine IV-Stelle erst kürzlich die Finanzierung einer kaufmännischen Ausbildung (B-Profil) nach einer erfolgreich bestandenen Attestausbildung im kaufmännischen Bereich ab. Dies obwohl alle Beteiligten – Ausbildungsbetrieb, Berufsschule und lernende Person – diesen Weg als äusserst sinnvoll beurteilt hatten, und die lernende Person sehr motiviert für diesen weiteren Ausbildungsschritt gewesen wäre. Noch vor kurzem wäre es kein Problem gewesen – steigt doch durch die weitere Ausbildung die Chance auf eine nachhaltige Vermittlung im ersten Arbeitsmarkt erheblich.

Das proklamierte Ziel der IVG-Revision – mehr Personen mit einer Beeinträchtigung sollen am Arbeitsleben teilhaben – tönt gut und ist sicher aus Sicht der meisten erstrebenswert. Ob der Weg wie mit der Revision geplant, wirklich der richtige ist, ist schon nicht mehr so unbestritten. Hier fehlt zum Beispiel auch eine gewisse Verpflichtung der Arbeitgeber, um dieses Ziel zu erreichen.

Vera Jochum ist Leiterin Berufliche Massnahmen bei der Eingliederungsstelle Baselland ESB