Demenz und eine gleichzeitige Sehbehinderung ist für die Pflegefachpersonen eine Herausforderung.

Ältere Menschen, die an einer Demenz erkrankt sind und an einer Sehbehinderung leiden, hatten bisher Mühe, einen passenden Pflegeplatz zu finden. Das ist nun anders. Am 1. Juli wird in Basel eigens eine auf diese Menschen zugeschnittene Pflegewohngruppe eröffnet.

von Stefan Müller

Ein älterer Mann mit Sehproblemen sitzt im Freien: Demenz und gleichzeitige Sehbe-hinderung sind für die Pflegenden eine Herausforderung. Bild: suze, photocase.com

Ein älterer Mann mit Sehproblemen sitzt im Freien: Demenz und gleichzeitige Sehbe-hinderung sind für die Pflegenden eine Herausforderung.
Bild: suze, photocase.com

Immer mehr Menschen erkranken heute an einer Demenz. Gleichzeitig treten im Alter gehäuft Sehprobleme auf. Wer an beidem leidet, dessen Leben ist besonders beeinträchtigt. Dennoch gab es bisher kaum entsprechende Pflegeangebote für diese Menschen. Nun eröffnet jedoch die Bethesda Alterszentren AG erstmals in der Schweiz eine Pflegewohngruppe, die sich an diese Gruppe von Menschen richtet. «Wir verstehen unser Angebot als Ergänzung zum bestehenden Pflegeangebot», sagt Heike Schulz, Leiterin des Alterszentrum Gellert Hof in Basel, das am 1. Juli eröffnet und wo auch die neue Pflegewohngruppe eingebettet sein wird. Auf demselben Areal befindet sich ein Spital, das ebenfalls von einer Tochter der Stiftung Diakonat Bethesda betrieben wird.

«Zu wenig beachtete Menschen»
Der Bedarf für eine solche Pflegewohngruppe ist laut der Zentrumsleiterin ausgewiesen. Denn laut Studien bestehe für ältere Menschen mit einer Demenz und einer Sehbehinderung die Gefahr, dass diese zu wenig beachtet würden, sagt Heike Schulz. Sie hat ihre im Abschluss befindliche Masterarbeit in Gerontologie an der Berner Fachhochschule in den Dienst der neuen Pflegewohngruppe gestellt. Die Zahl der Betroffenen nimmt zu. Gesicherte Angaben für die Schweiz gibt es aber noch nicht. In der Stadt Wien hingegen, wo 2006 das Johann-Wilhelm-Klein-Haus der Österreichische Blindenwohlfahrt weltweit erstmals eine solche Pflegegruppe in Betrieb genommen hat, geht man von 500 bis 1000 Betroffenen aus. Umgerechnet auf die Schweiz entspräche dies hier bis zu 5000 Menschen.
Ausserdem sind die Auswirkungen im Alltag für die Betroffenen besonders schwer, wenn eine Demenz – meistens Alzheimer – und eine Sehbehinderung – meistens Makuladegeneration – zusammenfallen. In dieser Kombination verstärken sich die beiden Diagnosen gegenseitig. Hinzu kommt gemäss einer neuen Studie des Schweizerischen Zentralvereins für das Blindenwesen SZBLIND, dass die Folgen einer im Alter entstehenden Sehbehinderung fälschlicherweise als beginnende Demenz gedeutet werden können. Ein eingeschränktes Sehvermögen oder eine Schwerhörigkeit führen überdies zu Fehlern bei einer Demenzabklärung. Mit schwerwiegenden Folgen für die Betroffenen.

Rituale spielen eine wichtige Rolle

Wie muss eine stationäre Pflegewohngruppe für alte Menschen mit einer Demenz und einer Sehbehinderung beschaffen sein, um deren Bedürfnissen gerecht zu werden? Der Basler Pflegewohngruppe stand dabei das «Wiener Modell» Pate: In einer familienähnlichen Wohngruppe stehen in Basel zwölf Pflegeplätze (139 Plätze im ganzen Alterszentrum) zur Verfügung, die ab 1. Juli in Etappen besetzt werden. Die Zahl der Pflegenden und Betreuenden, der sogenannte Betreuungsschlüssel, richtet sich nach der Pflegebedürftigkeit der Bewohnenden. Das Betreuungskonzept umschreibt Heike Schulz wie folgt: «Die Betreuung geschieht in einer familienähnlichen Umgebung, in der gemeinsame Räume für das Sozialleben und eine gemeinsame Alltagsgestaltung entlang von Ritualen eine wichtige Rolle spielen.» Im Alltag werden solche Rituale regelmässig eingesetzt, zum Beispiel am Tisch oder zum Schlafengehen.

Wichtiger Austausch mit den Angehörigen

Heike Schulz, die neue Zentrumsleiterin, inmitten ihres Teams Team auf der Baustelle ihres künftigen Arbeitsplatzes. Foto: zVg

Heike Schulz, die neue Zentrumsleiterin, inmitten ihres Teams Team auf der Baustelle ihres künftigen Arbeitsplatzes.
Foto: zVg

Die Pflegefachleute arbeiten dabei eng mit der Sehbehindertenhilfe Basel zusammen und stehen im fachlichen Austausch mit Experten im In- und Ausland. Nicht nur die Zusammenarbeit mit Fachleuten wird gross geschrieben, sondern auch mit den Angehörigen. So werden regelmässige Treffen mit den Angehörigen stattfinden, die der Aufklärung und Weiterbildung dienen. Der Einbezug der Angehörigen ist geplant bei der Festlegung der individuellen Massnahmen in der Eingewöhnungsphase und für die Standortgespräche. Ausserdem sind die Erfahrungen der Angehörigen bereits bei der Erstellung des Wohngruppen-Konzepts eingeflossen. Heike Schulz führte im Rahmen ihrer Masterarbeit zu diesem Zwecke Interviews mit Angehörigen durch.

Wie finanziert sich ein Pflegeplatz?
Je nach Pflegestufe kostet ein Platz in der Pflegewohngruppe zwischen 200 und 430 Franken pro Tag. Die Finanzierung erfolgt nach dem in der Schweiz üblichen Schlüssel, getragen durch Krankenkasse, öffentliche Hand und Eigenbeteiligung des Bewohnenden. «Die Finanzierung des Pflegeplatzes ist auf jeden Fall gesichert, unabhängig von der persönlichen finanziellen Lage der Bewohnenden », betont Heike Schulz, Leiterin Alterszentrum Gellert Hof, Basel.