Medizinische Grundlagen, Formen und Behandlungsmethoden der Augenkrankheit „Glaucom“

Dr. Frank Bochmann

Das Glaukom ist weltweit die zweithäufigste Ursache für eine Erblindung! Diese Tatsache lässt keinen Zweifel an der Gefährlichkeit dieser Erkrankung. Trotzdem ist über das Glaukom in der Gesellschaft nur wenig bekannt, und wohl über keine andere Augenerkrankung herrschen so viele falsche Vorstellungen. Was macht diese heimtückische Erkrankung so gefährlich?

Der Augenhintergrund. Am Sehnervenkopf sieht man das ringförmige orange Nervengewebe, hier krankheitsbedingt verdünnt, das glaukomtypisch einer Aushöhlung (weissliches Areal) Platz gemacht hat. Im Bereich der grössten Krankheitsaktivität erkennt man zusätzlich eine Kerbe im Nervengewebe sowie eine kleine Blutung.

Der Augenhintergrund. Am Sehnervenkopf sieht man das ringförmige orange Nervengewebe, hier krankheitsbedingt verdünnt, das glaukomtypisch einer Aushöhlung (weissliches Areal) Platz gemacht hat. Im Bereich der grössten Krankheitsaktivität erkennt man zusätzlich eine Kerbe im Nervengewebe sowie eine kleine Blutung.

Das Glaukom ist nicht heilbar. Rechtzeitig erkannt gibt es aber wirksame Behandlungen, die das Fortschreiten so verlangsamen, dass eine Sehbehinderung in den meisten Fällen verhindert werden kann. Genau hier liegt das Problem. Die Krankheit verläuft schleichend und zunächst ohne Symptome. Die Betroffenen bemerken lange nicht, dass mit ihren Augen etwas nicht in Ordnung ist. Die Diagnose erfolgt erst in einem späten Stadium. Dabei ist das Glaukom nicht selten; mit zunehmendem Alter steigt das Risiko, und bei den über 50-jährigen sind zwei bis drei Prozent der Bevölkerung betroffen. Grundsätzlich trägt jeder das Risiko, an dem Glaukom zu erkranken. Das macht es so schwierig, z.B. Empfehlungen abzugeben, ab wann und für wen eine Vorsorgeuntersuchung sinnvoll ist.

Übrigens: Die im deutschsprachigen Raum übliche Bezeichnung für das Glaukom als „grüner Star“ ist irreführend und sollte nicht verwendet werden. Sie führt zur Verwechslung mit dem „Grauen Star“, einer Trübung der Augenlinse.

Eine Erkrankung des Sehnervs

Das Glaukom ist eine Erkrankung, bei der es zu einer chronischen Schädigung des Sehnervs kommt, welche wiederum zu typischen Gesichtsfelddefekten führt. Ein Glaukom entsteht dann, wenn mehrere für die Krankheit prädisponierende Faktoren zusammentreffen. Dabei spielt ein erhöhter Augendruck eine zentrale Rolle, aber auch die Empfindlichkeit des Sehnervs, ein Glaukom zu entwickeln.

Die Nervenzellen, welche die Information der Photorezeptoren in das Gehirn weiterleiten, liegen in den inneren Netzhautschichten. Von dort aus ziehen ihre Nervenfasern an den Sehnervenkopf, und dann als Sehnerv weiter in Richtung Gehirn. Am Sehnervenkopf sind die Nervenfasern der höchsten Belastung ausgesetzt. Sie verlassen die Augenhülle durch feine Poren und sind hier noch nicht mit ihrer Isolationsschicht versehen. Zudem stellt der sich ändernde Umgebungsdruck hohe Anforderungen an die Regulation der Blutversorgung. Man geht davon aus, dass unter besonderen Voraussetzungen die Nervenfasern an dieser Stelle derart geschädigt werden, dass bei der zugehörigen Nervenzelle ein programmierter Zelltod ausgelöst wird. So entsteht ein Glaukom. Am Sehnervenkopf können wir den glaukomtypischen Verlust der Nervenfasern jedenfalls direkt beobachten.

Erwiesen ist, dass der hohe Augendruck der wichtigste Risikofaktor für die Entstehung eines Glaukoms ist. Weitere bekannte Risikofaktoren sind unter anderem die Kurzsichtigkeit oder eine gestörte Regulation der Durchblutung, wie sie zum Beispiel bei der Migräne vorliegt.

Schwer fassbare Symptome

In der OCT-Untersuchung, einem Schnittbildverfahren, lässt sich der Defekt an der Nervenfaserschicht der Netzhaut in unmittelbarer Nähe zum Sehnervenkopf ausmessen.

In der OCT-Untersuchung, einem Schnittbildverfahren, lässt sich der Defekt an der Nervenfaserschicht der Netzhaut in unmittelbarer Nähe zum Sehnervenkopf ausmessen.

Für das Glaukom gibt es kein klassisches Leitsymptom. Gesichtsfeldausfälle werden nicht, wie in Illustrationen oft gezeichnet, als schwarze Flecken wahrgenommen. Das Gehirn „flickt“ die fehlenden Bereiche mit Informationen aus benachbarten, noch intakten Arealen des Gesichtsfeldes, oder das Partnerauge vermag fehlende Gesichtsfeldbereiche zu kompensieren. Das trägt wesentlich dazu bei, dass betroffene Patientinnen und Patienten selbst von deutlichen Gesichtsfeldausfällen kaum etwas merken. Dazu kommt, dass sich die Gesichtsfelddefekte beim Glaukom nur sehr langsam entwickeln. Die Betroffenen gewöhnen sich daran. Es kommt immer wieder vor, dass Patientinnen und Patienten zufällig mit einem fortgeschrittenen Stadium diagnostiziert werden, ohne dass sie eine Beeinträchtigung der Sehleistung bemerkt hätten. Erst auf genaues Nachfragen berichten sie über diskrete Symptome, denen keine Bedeutung zugemessen wurde. Dann wird zum Beispiel von Orientierungsprobleme bei schlechter Beleuchtung oder sich rasch wechselnden Lichtverhältnissen, wie bei der Einfahrt in einen Tunnel, berichtet.

Erst in der späten Phase der Erkrankung werden Gesichtsfeldausfälle als solche wahrgenommen. Nun beeinträchtigen sie die Lebensqualität durch Einschränkung der Mobilität, die Teilnahme am sozialen Leben leidet, und auch das Sturzrisiko ist erhöht. Der zentrale, hochauflösende Teil des Gesichtsfeldes, den wir zum Lesen oder Erkennen von Gesichtern brauchen, fällt der Erkrankung erst im Endstadium zum Opfer.

Ähnlich wie mit den Gesichtsfeldausfällen verhält es sich mit dem Augendruck: Auch ein erhöhter Augendruck wird von den Patientinnen und Patienten in der Regel nicht bemerkt. Nur wenn der Augendruck rasch auf hohe Werte ansteigt, kann er zu Symptomen wie Augenschmerzen oder vernebeltem Sehen führen.

Die Diagnosestellung der Erkrankung in einem früheren Stadium ist sehr schwierig und kann nur durch einen Augenarzt / eine Augenärztin zuverlässig erfolgen. Eine alleinige Druckmessung reicht dazu nicht aus. Erst nach einer genauen Untersuchung des gesamten Auges mit Beurteilung des Sehnervs sowie einem Gesichtsfeldtest kann die Diagnose gestellt werden. Da die Erkrankungshäufigkeit mit dem Alter zunimmt, wird ab dem 40. Altersjahr alle drei Jahre eine augenärztliche Kontrolluntersuchung empfohlen. Besteht eine familiäre Belastung oder eine Unklarheit bezüglich Risikofaktoren, kann auch vorher schon eine ärztliche Beratung sinnvoll sein.

Behandlung

Bevor die Behandlung gestartet wird, ist es wichtig zu wissen, was für ein Typ Glaukom vorliegt. In den meisten Fällen ist das Trabekelwerk – das Gewebe, welches den Abfluss des Kammerwassers und somit den Augendruck reguliert – krankhaft verändert, sodass der Augendruck ansteigt (Offenwinkelglaukom). Es gibt aber auch Fälle, bei denen dieses Gewebe zwar intakt, jedoch durch die Regenbogenhaut verlegt ist (Winkelblockglaukom). Daneben existieren weiter Glaukomformen, wie das Normaldruckglaukom, das entzündliche Glaukom oder angeborene Formen bei Neugeborenen oder Kleinkindern.

Je nach Ausgangslage unterscheidet sich die Behandlung. In den meisten Fällen wird versucht, den Augendruck zu senken. Dies geschieht in erster Linie mit drucksenkenden Augentropfen oder einer Laserbehandlung. Die Wahl der Therapie richtet sich nach der Wirksamkeit und der Verträglichkeit. Der Erfolg der Behandlung wird an der Reduktion des Augeninnendrucks und dem weiteren Verlauf der Erkrankung gemessen. Auch unter der Therapie ist eine regelmässige Kontrolle der Gesichtsfelder notwendig, um zu sehen, wie sich das Glaukom über die Zeit verhält. Nicht jedes Glaukom braucht übrigens eine Behandlung. In vielen Fällen ist der Verlauf der Erkrankung so langsam, dass mit einer Therapie zugewartet werden kann. Über die richtige Strategie werden die Patientinnen und Patienten durch ihren Augenarzt oder ihre Augenärztin beraten. Wird eine Behandlung aufgrund von Nebenwirkungen nicht vertragen, oder erweist sie sich als wirkungslos, kann man versuchen, den gewünschten Zieldruck mit einer drucksenkenden Operation zu erreichen. Da sehr gute Medikamente zur Verfügung stehen, werden heute drucksenkende Eingriffe aber eher selten durchgeführt.

Frank Bochmann ist Augenarzt in der Augenklinik des Luzerner Kantonsspitals