Beteiligung sehbehinderter und blinder Menschen am Arbeitsmarkt ist kaum erforscht

Wir kennen alle einige Menschen mit Sehbeeinträchtigung, die berufstätig sind. Doch niemand hat eine Übersicht zur Situation sehbehinderter Menschen auf dem Arbeitsmarkt! Und die Frage, warum es in einigen Fällen für sehbehinderte Menschen möglich ist, einer beruflichen Tätigkeit nachzugehen, und in anderen nicht, blieb bislang unbeantwortet. 

von Stefan Spring

Am häufigsten hört man etwas über die berufliche Situation und die Werdegänge von Menschen, die weiterhin mit der Schule, auf der sie den Abschluss machten, in Kontakt bleiben, in Gremien des Sehbehindertenwesens aktiv sind oder sich an eine Beratungs- und Rehabilitationsstelle wenden. Auch über die Teilnehmenden an Umschulungen, wie sie die SBH-Professional in Basel seit Jahrzehnten anbietet, wissen wir einiges. In Selbsthilfeorganisationen wurden vor einigen Jahren auch Umfragen gestartet und deren Ergebnisse diskutiert. Was aber fehlt, ist der Überblick zur ganz aktuellen Situation sehbehinderter Menschen auf dem heutigen Arbeitsmarkt sowie Informationen zur Situation der vielen Menschen mit Sehbehinderungen, die nicht mit Fachstellen und Organisationen in Kontakt stehen.

Was geschieht nach einer Anlehre?
Der Schweizerische Zentralverein für das Blindenwesen SZBLIND hat daher mit einigen Partnern zwei wichtige Studien lanciert: Das erste Projekt betrifft jüngere sehbehinderte Menschen, die nach einer Ausbildung im Sonderschulbereich eine IV-Anlehre oder eine Praktische Ausbildung absolviert haben. Es ist brisant, nach der Biographie dieser jungen Menschen zu fragen, denn die Sozialversicherungen bauen die Berufsbildungsmöglichkeiten für Menschen laufend ab, für welche keine so genannte «rentenvermindernde» Erwerbstätigkeit garantiert werden kann. Es ist aber gelungen, im Rahmen dieser nationalen Studie auch die Situation der Sehbehinderung zu berücksichtigen.

Sams: Studie zum Arbeitsleben
Mit einem weiteren Blick in die Zukunft haben sich der SZBLIND, der Schweizerische Blinden- und Sehbehindertenverband SBV und der Schweizerische Blindenbund SBb zusammengeschlossen, um eine nationale Studie zum Berufsleben sehbehinderter Menschen zu lancieren: SAMS, die Studie zum Arbeitsleben von Menschen mit Sehbehinderung, ist wissenschaftlich ambitiös und in unseren Organisationen breit abgestützt. In der Begleitgruppe arbeiten neben den Selbsthilfeverbänden auch die Sehbehindertenhilfe Basel, die regionalen Beratungsstellen und die Invalidenversicherung mit. Das wissenschaftliche Konzept wurde durch die Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften erstellt. Es sieht eine Serie von 20 Tiefeninterviews und eine anschliessende telefonische Befragung von bis zu 400 Personen vor. Die Zürcher Hochschule konnte eine Kooperation mit der Fachhochschule der Westschweiz eingehen; somit können alle Interviews in der französischen Schweiz von Lausanne aus durchgeführt werden. Für die geplante Studie wird Behinderung – im Sinne der International Classification of Functioning, Disability and Health der WHO – verstanden als eine ungünstige «Wechselwirkung zwischen einer Person, ihren Körperfunktionen und ihrem Umfeld». Im Falle von Sehbehinderungen und Arbeit spielen die im Verlauf der Zeit meistens auftretenden Veränderungen eine wichtige Rolle: Veränderungen im Sehvermögen, wie progressive Krankheitsverläufe, bei den Hilfsmitteln, aber auch bei den visuellen und weiterbildungsbezogenen Anforderungen im Beruf und am Arbeitsplatz. Damit wollen wir bewusst über die Visus-Einschätzung hinausgehen, die von den Sozialversicherungen betont wird.

Stefan Spring ist SZBLIND-Forschungsbeauftragter

Sind Sie blind / sehbehindert und sind aktuell / waren in den letzten zehn Jahren beruflich tätig?

Wir bitten Sie, mit uns über Ihren beruflichen Werdegang zu sprechen

Der SZBLIND bittet alle Personen, denen die berufliche Integration wichtig ist und die mit diesem Thema Erfahrungen gemacht haben, an dieser wichtigen Befragung teilzunehmen. Melden Sie sich mit Ihrem Namen und Ihrer Telefonnummer auf einem der folgenden Wege: Per SMS / telefonisch: 078 698 1913, per Email: sams@zhaw.ch; über ein Formular auf der Projekt-Website: www.sams-info.ch; per Brief an: Prof. Dr. Anna Maria Riedi, ZHAW Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften, Postfach 707, 8037 Zürich.