Menschenrechte gelten für alle: Unabhängig von Herkunft, Alter oder einer Behinderung.

Die Rechte von Menschen mit Behinderung werden gestärkt: Am 15. April 2014 wurde in New York die UNO-Behindertenrechtskonvention (UNO-BRK) durch die Schweiz ratifiziert. Sie ist Mitte Mai in Kraft getreten. 

von Caroline Hess-Klein

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Die Übergabe des Ratifizierungsprotokolls in New York.
Bild: UN

Die UNO-BRK wurde bereits am 13. Dezember 2006 durch die Generalversammlung der Vereinten Nationen verabschiedet. Erarbeitet wurde sie zusammen mit der Zivilgesellschaft, insbesondere mit Menschen mit Behinderung und ihren Organisationen, welche ihren Inhalt wesentlich geprägt haben: Menschen mit Behinderung sollen gleichberechtigt und autonom am gesellschaftlichen Leben teilhaben. Die UNO-BRK wurde bereits von 143 Staaten sowie der EU ratifiziert. An dieser Bewegung soll nun auch die Schweiz teilhaben. Nachdem die Bundesversammlung am 13. Dezember 2013 den Beitritt der Schweiz zur UNO-BRK bejaht hatte, unterzeichnete der Bundesrat am 9. April 2014 die Beitrittsurkunde. Diese wurde von Nationalrat Christian Lohr sowie dem Präsidenten des Gleichstellungsrates Égalité Handicap, Pierre Margot-Cattin, nach New York überbracht. Am 15. April erfolgte die Ratifizierung beim Sitz der Vereinten Nationen. Mitte Mai ist sie für die Schweiz in Kraft getreten. 

Inhalte der Konvention

Zweck der UNO-BRK ist es, die volle und gleichberechtigte Inanspruchnahme aller Menschenrechte von allen Menschen mit Behinderungen zu gewährleisten und zu fördern. Sie stellt eine Reaktion auf die Feststellung dar, dass Menschen mit Behinderung aus vielen Lebensbereichen nach wie vor ausgeschlossen sind. Ihr Geltungsbereich ist sehr weit und umfasst zum Beispiel:
Barrierefreiheit (Art. 9): Recht aller Menschen mit Behinderung auf gleichberechtigten Zugang zur physischen Umgebung, zu Transportmitteln, Information und Kommunikation, sowie zu anderen Einrichtungen und Diensten, die für die Öffentlichkeit zugänglich sind.
Selbstbestimmte Lebensführung (Art. 19): Recht aller Menschen mit Behinderung, mit gleichen Wahlmöglichkeiten wie die anderen Menschen in der Gemeinschaft zu leben. Dies beinhaltet insbesondere die Möglichkeit, den Wohnsitz zu wählen und zu entscheiden, wo und mit wem sie leben, und nicht verpflichtet zu sein, in besonderen Wohnformen zu leben.
Zugang zu Informationen (Art. 21): Menschen mit Behinderung haben das Recht, sich gleichberechtigt wie alle Anderen Informationen zu beschaffen. Zu diesem Zweck müssen die Vertragsstaaten zum Beispiel Informationen für die Allgemeinheit rechtzeitig und ohne zusätzliche Kosten in zugänglichen Formaten und Technologien, die für unterschiedliche Arten der Behinderung geeignet sind, zur Verfügung stellen.
Bildung (Art. 24): Recht der Menschen mit Behinderung auf Bildung. Die Vertragsstaaten müssen ein integratives Bildungssystem auf allen Ebenen und lebenslange Fortbildung gewährleisten.
Arbeit und Beschäftigung (Art. 27). Die Vertragsstaaten müssen das gleichberechtigte Recht von Menschen mit Behinderung auf Arbeit anerkennen. Hierzu müssen die Vertragsstaaten insbesondere Rechtsvorschriften erlassen, welche Diskriminierung auf Grund einer Behinderung in allen Fragen der Beschäftigung jeder Art verbieten, einschliesslich der Bedingungen in Bezug auf Rekrutierung, Einstellung und Beschäftigung, Weiterbeschäftigung, Aufstieg sowie sichere und gesunde Arbeitsbedingungen.

Bedeutung für die Schweiz

Durch die Ratifizierung hat sich die Schweiz verpflichtet, die Rechte der UNO-BRK einzuhalten und umzusetzen. Sie wird systematisch prüfen müssen, in welchen Bereichen Handlungsbedarf besteht, und entsprechende Massnahmen ergreifen. Besonders kritisch wird sich die Frage im Zusammenhang mit den privaten Arbeitsverhältnissen stellen. Denn hier ist der spezifische Schutz von Menschen mit Behinderung vor Diskriminierungen in der Schweizer Rechtsordnung beschränkt. Die Lage wird aber auch im Hinblick auf Dienstleistungen Privater, auf Art. 12 UNO-BRK (gleiche Anerkennung vor dem Recht), Art. 19 UNO-BRK (unabhängige Lebensführung und Einbeziehung in die Gemeinschaft) sowie auf die Ausbildung sehr genau angeschaut werden müssen.
Die UNO-BRK wird somit das bestehende Schweizer Behindertenrecht ergänzen und dazu beitragen, die zahlreichen Barrieren in allen Lebensbereichen zu beseitigen, welche die autonome Lebensführung von Menschen mit Behinderung immer noch stark beeinträchtigen. Auch auf der institutionellen Ebene sollte die Konvention Verbesserungen bringen: Bund und Kantone werden durch sie gezwungen, ihre – heute dürftigen – Strukturen im Bereich des Behindertengleichstellungsrechts zu verstärken: Zum Beispiel durch die Schaffung von Koordinations- und Anlaufstellen, welche insbesondere sicherstellen, dass das Anliegen der Gleichstellung von Menschen mit Behinderung in der Spezialgesetzgebung nicht übersehen wird.

Überwachung und Förderung der Umsetzung

tactuel_02_Schwerpunkt_BRK_BriefmarkenDie UNO-BRK legt fest, dass ihre Umsetzung überwacht werden soll. Dieses so genannte Monitoring erfolgt auf unterschiedlichen Ebenen: Auf nationaler Ebene verpflichtet Art. 33 Abs. 2 UNOBRK die Schweiz zur Schaffung eines unabhängigen Kontrollmechanismus zur Überprüfung der Durchsetzung der Konvention. Eine solche Struktur existiert heute lediglich ansatzweise in der Form eines Pilotprojektes, dem Schweizerischen Kompetenzzentrum für Menschenrechte. Parallel dazu wird die Zivilgesellschaft, insbesondere Menschen mit Behinderungen und die sie vertretenden Organisationen von Art. 33 Abs. 3 UNO-BRK besonders erwähnt. Sie muss in den Überwachungsprozess einbezogen werden und in vollem Umfang daran teilnehmen. In der Schweiz hat die Dachorganisationenkonferenz der privaten Behindertenhilfe (DOK) Ende April beschlossen, die Aktivitäten der Behindertenorganisationen zur Überwachung und Förderung der Umsetzung der UNO-BRK zu koordinieren. Sie ist zurzeit daran zu definieren, welche Aufgaben sie in diesem Zusammenhang wahrnehmen wird.
Schliesslich wird die Umsetzung der UNO-BRK auch auf Ebene der Vereinten Nationen überwacht und umgesetzt: Der UNO-Ausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderung (Art. 34 UNO-BRK), welcher zweimal pro Jahr in Genf zusammenkommt, würdigt die Berichte, welche ihm die Staaten über die nationale Umsetzung der UNO-BRK unterbreiten. An der jährlichen Konferenz der Vertragsstaaten (Art. 40 UNO-BRK), welche bis anhin jährlich in New York stattgefunden hat, treten die Vertragsstaaten sowie die Zivilgesellschaft zusammen, um jede Angelegenheit im Zusammenhang mit der Durchführung der Konvention zu behandeln.

Caroline Hess-Klein ist Leiterin der Fachstelle Égalité Handicap