Gerda Frischknecht leitet seit dem 1. April 2015 das Ressort Fort- und Weiterbildung beim Schweizerischen Zentralverein für das Blindenwesen SZBLIND. Mehr als 150 Tage sind seit ihrem Amtsantritt vergangen. Genügend Zeit also für einen ersten Rück- und Ausblick.

Interview: Barbara Altherr Bärlocher

Gerda Frischknecht an ihrem Arbeitsplatz in St. Gallen Bild: SZB

Bild: SZBLIND

Wie kommt eine ehemalige Biologiestudentin, Primarlehrerin und Polizistin dazu, die Leitung des Ressorts Fort- und Weiterbildung beim Schweizerischen Zentralverein für das Blindenwesen zu übernehmen?
Ich wollte ganz bewusst eine andere Welt kennen lernen. Über meinen bisherigen Werdegang betrachtet, war es wohl schon immer das Thema Ausbildung gewesen, das mich am längsten begleitet und vor allem auch fasziniert hat. Bei der Sicherheitskontrolle am Flughafen, meiner letzten Arbeitsstelle, habe ich dann noch eine berufsbegleitende Ausbildung zur „Ausbildnerin mit Eidgenössischem Fachausweis – SVEB2“ gemacht. Für mich war klar, ich will beim Ausbildungsthema bleiben – aber nicht mehr bei der Polizei.

Und warum gerade der SZBLIND?
Zuerst einmal muss eine solche Stelle frei und ausgeschrieben sein, die kann man nicht einfach suchen. Und erst dann setzt man sich damit auseinander: Wer ist der SZBLIND? Was beinhaltet die Stelle konkret? Als ich dann realisierte, wie vielfältig die Stelle ist, wusste ich, das muss ich versuchen. Auch, dass die Stelle schweizweit ist, hat mich begeistert, denn mit meinem Hintergrund (in Bellinzona geboren und in der Ostschweiz aufgewachsen) fühle ich mich in vielen Teilen der Schweiz zu Hause.

Mehr als 150 Tage haben Sie bereits das Amt der Ressortleiterin inne – wie fühlt sich das an?
Total spannend. Einfach alles ist anders.

Inwiefern?
Die Art, wie mit den Menschen umgegangen wird, unterscheidet sich sehr stark zu meinem vorhergegangenen Beruf. Der Umgangston ist ein anderer, die Zusammenarbeit ist anders – man ist offener, mitfühlender, freundlicher. Zudem bin ich sehr viel unterwegs – auch das ist komplett neu für mich und gefällt mir sehr gut. Das Reisen bietet Abwechslung zum Büroalltag und Möglichkeiten zur Begegnung.

Würden Sie sagen, dass alles bereits Routine ist?
Nein, nichts ist Routine – gar nichts! Ich denke es wird noch ein halbes Jahr so weiter gehen – ich muss wohl einen ganzen Ausbildungszyklus mitmachen – d.h. insgesamt 2 Semester – bis ich sehe, was die Stelle alles umfasst. Und erst dann, vielleicht, kann ich von einer ersten sich einstellenden Routine sprechen.

Was waren zu Beginn die grössten Herausforderungen, die Sie zu meistern hatten?
Für mich ist es immer noch schwierig, alle Leute zu kennen – es sind sehr viele, und viele davon hab ich erst einmal gesehen. Auch das Sehbehindertenwesen in seinen Strukturen, seinem Aufbau und den Aufgaben ist sehr komplex. Es gibt sehr viele Player – hier fehlt mir noch immer das Gesamtbild. Auch das braucht wohl noch seine Zeit und viele Gespräche. Und die SZBLIND-Kurse in ihrer Vielfalt – bis ich jeden einzelnen Kurs im Detail kenne (Inhalte, Zielgruppen, etc.) brauche ich wohl auch noch Zeit.

Welche Ziele haben Sie sich, bzw. für das Ressort Fort- und Weiterbildung gesetzt?
Kurzfristig gesehen ist es mir wichtig, zuerst einmal alles, was existiert, genau zu analysieren und erst dann zu entscheiden, ob und wie etwas geändert werden soll. Nur weil ich neu bin, möchte ich nicht einfach alles umkrempeln. Mittelfristig möchte ich die Kooperation mit Deutschland und Österreich gut bewältigen. Dieses Projekt hat sehr viele Änderungen zur Folge, wir müssen viele Prozesse neu überdenken. Meine langfristigen Ziele für das Ressort sind, dass die Kursteilnehmenden die Kurse und Lehrgänge des SZBLIND gut finden und mit dem Angebot und den Produkten zufrieden sind. Der SZBLIND soll als glaubwürdiger, kompetenter und professioneller Anbieter wahrgenommen werden.

Was können Sie bereits als erste Erfolge verbuchen?
Die druckfrische, gemeinsam mit Deutschland und Österreich produzierte Broschüre zum Reha-Lehrgang und die Weiterentwicklung dieser Zusammenarbeit. Auch konnte ich neue Referenten und Referentinnen gewinnen, und dass ich und mein Team bereits sehr eingespielt sind und gut harmonieren.

Was hat bisher noch nicht so geklappt, wie erhofft? Und warum?
Ich möchte genauer Bescheid wissen über die Kurse – am liebsten wüsste ich jetzt schon alles – und das macht es schwierig – es braucht von meiner Seite Zeit und Geduld.

Der SZBLIND bietet rund 65 Kurse an – welches sind die beliebtesten?
Der Einführungskurs „Aspekte verschiedener Fachbereiche im Sehbehindertenwesen“. Seine Beliebtheit beruht wohl darauf, dass er sich für alle eignet, egal ob Fachperson oder nicht.

Und welche Kurse zählen zu den Sorgenkindern?
„Sehbehinderung im Alter“. Er musste dieses und letztes Jahr abgesagt werden – obwohl das Thema so wichtig wäre. Die Konsequenz ist, dass dieser Kurs in dieser Form nicht mehr angeboten wird. Zudem sehe ich mich immer wieder mit Wünschen konfrontiert, die die Bedürfnisse einer extrem kleinen Gruppe abdecken. Mit der Sprachgrenze als zusätzliche Herausforderung ist der Kreis potentieller Teilnehmenden für solche Kurse sehr klein. Dennoch ist das Anliegen legitim und wichtig. Ich muss immer wieder abwägen, welche Wünsche im Kursprogramm umsetzbar sind – und welche nicht.

Warum ist das Ressort Fort- und Weiterbildung so wichtig?
Permanente Fort- und Weiterbildung ermöglicht dem Fachpersonal, blinde, sehbehinderte und taubblinde Menschen in sinnvoller Weise zu begleiten und zu unterstützen. Keine andere Institution in der Schweiz bietet so viele Kurse im Bereich des Sehbehindertenwesens an – von der Einführung bis zur Eidgenössischen Höheren Fachprüfung. Zudem zählen nicht nur die Kurse zum Ressort F&W sondern auch die Fachbibliothek. Seit über 100 Jahren sammelt sie Fachliteratur zum Thema Sehbehinderung.

Ich bin stolz darauf, Teil des SZBLIND zu sein!

Vielen Dank für das Gespräch!