Ein Beispiel aus Deutschland: MobiliS begleitet die Ausbildung von sehbehinderten und blinden Jugendlichen

von Ann-Katrin Gässlein

Damit sehbehinderte und blinde junge Menschen eine erfolgreiche Berufsausbildung in einem Unternehmen oder einer öffentlichen Einrichtung absolvieren können, gibt es seit 15 Jahren in Soest (D) das Programm MobiliS.

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Zwei junge Frauen, die während ihrer Ausbildung durch MobiliS begleitet wurden.
Bilder: zVg

Geduld, Zähigkeit – und auch ein wenig Glück: 2007 konnte Andreas Hilzbrich, von Geburt an blind, seine Wunschausbildung beginnen – und das in einem Unternehmen und in der Nähe seines Heimatortes. Die Deutsche Bahn in Dortmund hatte Hilzbrich zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen und dem schlagfertigen und humorvollen jungen Mann einen Ausbildungsvertrag im Wunschberuf angeboten. Vorausgegangen war ein Bewerbungscoaching beim Berufsbildungswerk des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) im norddeutschen Soest, einem Förderzentrum für blinde und sehbehinderte Menschen. Das Coaching ist Teil des Programms MobiliS, eine „besondere Leistung zur Förderung der Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben“, wie sie auch im deutschen Sozialgesetzbuch fe

Begleitung von Anfang anstgehalten ist.

MobiliS wird im Normalfall von einer blinden oder sehbehinderten Person bei der Agentur für Arbeit beantragt. Dann kommt das LWL-Berufsbildungswerk ins Spiel: Fachkräfte bieten Beratungen schon vor und während des Bewerbungsverfahrens. Sie klären beispielsweise das Profil und die Eignung von Personen ab, prüfen aber auch die Anforderungen am Arbeitsplatz und begleiten Praktika. Vor allem beraten sie auch die Arbeitgeber, d.h. alle Verantwortlichen im Ausbildungsbetrieb: Indem sie auf geeignete Hilfsmittel aufmerksam machen, Empfehlungen aussprechen, wie der Arbeitsplatz optimal gestaltet werden könne, oder auch, wie Förderung aus öffentlichen Mitteln zu beziehen sei. „Zentral ist beispielsweise das Modul „Vorbereitung und Durchführung von Auswahlverfahren““, berichtet Erwin Denninghaus,

der zu den Initianten des Programms gehört und Dutzende von Jugendlichen begleitet hat: „Bei grossen Unternehmen durchlaufen die Bewerber eine Reihe von Tests, da die Ausbildungsplätze sehr begehrt sind. Wir fragen dann bei der Firma nach: Gibt es schriftliche Unterlagen? Müssen diese möglicherweise in Braille oder auf Tonträger übertragen werden? Brauchen die Bewerber ein Bildschirmlesegerät?“ Als neutrale Einrichtung kann das Berufsbildungswerk diese Anliegen gut vorbringen und sie als angemessene Hilfen im Rahmen des Nachteilsausgleichs einfordern.
Hilzbrich konnte davon profitieren. Er begann seine Ausbildung zum Kaufmann für Bürokommunikation, besuchte das LWL-Berufskolleg mit dem Förderschwerpunkt Sehen und wurde während der drei Jahre durch MobiliS unterstützt. Danach wurde er von der Deutschen Bahn übernommen. „Wie alle anderen Azubis habe ich am Unterricht teilgenommen“, erzählt er. Der Arbeitsplatz wurde behindertengerecht eingerichtet: So besitzt er heute neben der üblichen eine Spezialtastatur, über die er die Computertexte mit den Fingern lesen kann. Auf seinem Notebook ist ein Programm installiert, das die Dokumente und sein Geschriebenes vorliest. Der 25-Jährige bearbeitet und beantwortet etwa E-Mails und erstellt Monatsreports.

Auch bei kleinen  Einschränkungen hilfreich

tactuel_01_Plattform_MobiliS_Sabrina-FührerDie Unterstützung von MobiliS dauert während der gesamten Ausbildungsphase an: Die Berufsbegleiterinnen und –begleiter bieten Stütz- und Förderunterricht am Ausbildungsort an, vermitteln Mobilitätstraining, helfen bei den Vorbereitungen auf Zwischen- und Abschlussprüfungen – und müssen auch mal bei Krisen vermitteln: „Wenn eine Person den Anforderungen nicht gerecht wird, muss man die Ursachen abklären“, berichtet Denninghaus. „Liegt es an der Sehbehinderung, an der technischen Ausstattung – oder gibt es andere Gründe, die nichts mit der Behinderung zu tun haben? Dazu wird ein Ansprechpartner definiert.“

Seit 1999 wurden 80 Personen mit MobiliS in ihrer Berufsausbildung unterstützt. Sie lernten den Beruf des Bäckers oder der Bürokauffrau, Gärtner und Justizfachangestellter, Landmaschinenmechaniker und Köchin und vieles mehr. Laut Denninghaus könnten noch mehr betroffene Personen von MobiliS profitieren, und er hofft, dass die Anfragen von blinden und sehbehinderten Auszubildenden steigen. „Auch wer vordergründig gut mitkommt, kann die Unterstützung brauchen“, meint er. „Manche sehbehinderte Personen finden sich im Büro gut zurecht, würden aber im Zweifelsfall von einer Einzelunterweisung sehr profitieren, wenn sie zum Beispiel einem Vortrag mit Beamer nicht ganz folgen konnten.“

Ab dem Jahr 2014 wurde das Konzept von MobiliS weiter entwickelt. Nunmehr ist es möglich, auch einzelne Leistungen einzukaufen und diese mit anderen Leistungen zur Förderung der beruflichen Teilhabe zu verbinden: Aus MobiliS wurde MobiliS-modular.

Weitere Infos: www.LWL-BBW-Soest.de