Ausbildung in Low Vision-Rehabilitation wurde vom SZBLIND neu aufgegleist

von Stefan Müller

Rehabilitation in Low Vision: Das meint, visuell stark eingeschränkten Menschen zu trainieren und zu befähigen, ihr eingeschränktes Sehvermögen (wieder) optimal zu nutzen. Mitte Juli endete der erste eidgenössisch anerkannte Lehrgang in Low Vision-Rehabilitation. Corinne Lörcher und Mäde Müller gehörten zu den Absolventen.

Was hat Sie bewogen, sich für den Low Vision-(LV)-Rehabilitation-Lehrgang anzumelden?
· Corinne Lörcher: Ich habe vielleicht eine etwas spezielle Vorgeschichte. Von Beruf bin ich Ergotherapeutin. Nach acht Jahren Berufstätigkeit wollte ich etwas Neues lernen. Ich bewarb mich auf eine Stelle im Sehbehindertenwesen. Die Voraussetzung dabei war die Bereitschaft, berufsbegleitend die Ausbildung zur Rehabilitationsfachfrau im Bereich Low Vision zu absolvieren.
· Mäde Müller: Als Fachperson bei einer Beratungsstelle für hörsehbehinderte und taubblinde Menschen gehört es dazu, dass man nach einer Anstellung die entsprechende Ausbildung macht in Rehabilitation.

Was hat Sie am Lehrgang am meisten interessiert?

Corinne Lörcher arbeitet bei der Beratungs- und Rehabilitationsstelle für Sehbehinderte und Blinde des Kantons Bern in Bern als Rehabilitationsfachkraft.

· Mäde Müller: LV-Wissen auch für die Doppelsinnesbehinderung anwenden zu können. Eine Abklärung mit einer schwerhörigen oder gehörlosen Person ist anders, als mit einer hörenden Person. Die Gleichzeitigkeit geht nicht: Entweder man kommuniziert, oder man klärt ab. Durch die Ergebnisse einer LV-Abklärung und entsprechender Umsetzung kann man zusätzlich die Kommunikation verbessern: z. B. durch Licht, Kontrast oder Distanz.
· Corinne Lörcher: Als Ergotherapeutin ist mir die ganzheitliche Betrachtung des Menschen wichtig. Diese Betrachtungsweise wurde auch im LV-Lehrgang als wichtig erachtet, was mir sehr entsprach.

Was fanden Sie wenig hilfreich für die Praxis oder gefiel Ihnen nicht?
· Corinne Lörcher: Ich empfand es als nachteilig, dass der Beginn der Ausbildung lediglich aus Grundmodulen bestand. Ich hätte mir gewünscht, dass bereits dort die Low Vision-Thematik im Vordergrund gestanden hätte. In den Grundmodulen gab es Themen, die mir bereits in meiner Grundausbildung als Ergotherapeutin vermittelt wurden. Ich hätte jedoch schon zu Beginn meiner Anstellung gewisse Grundlagen im Bereich LV benötigt. So erging es auch anderen Teilnehmenden.
· Mäde Müller: Am schwierigsten fand ich am Anfang die vielen Zahlen und Formeln. Aber der Unterricht war zum Glück sehr praxisorientiert und «multi-methodisch», zusätzlich mit der notwendigen Portion Humor versehen. Darüber habe ich mich immer wieder gefreut.

Wo und wie werden Sie Ihre neuen Kenntnisse künftig einsetzen?
· Mäde Müller: Meine Erkenntnisse möchte ich in Zukunft vor allem im Zusammenhang mit der speziellen Herausforderung in der Beratung für hörsehbehinderte und taubblinde Personen für die Optimierung der Kommunikation einsetzen. Wenn unsere KlientInnen ihr teilweise noch vorhandenes Hör- oder / und Sehvermögen bewusst einsetzen können, kann sich somit ihre Kommunikation verbessern. Sei es im direkten Kontakt in der Nah-Kommunikation, wie Gebärden, Mundbild, Mimik oder Schreiben, oder in die Ferne, wie SMS, E-Mail, Fax und Videophone.
· Corinne Lörcher: Sehbehinderte hören oft, dass aus medizinischer Sicht keine Verbesserung zu erlangen ist. Ich kann nun vielen dieser Menschen aufzeigen, dass mit Hilfsmitteln ein gewisses Mass an Selbstständigkeit und Lebensqualität erhalten oder erlangt werden kann.

Wo sehen Sie selbst die grössten Herausforderungen in der LV-Rehabilitation?

Mäde Müller ist seit 2007 bei der Beratungsstelle für Taubblinde- und Hörsehbehinderte Menschen des SZBLIND in Zürich als Leiterin Fachbereich Rehabilitation tätig.

· Mäde Müller: Die grösste Herausforderung sehe ich in der Vernetzung mit der gesamten Rehabilitation für hörsehbehinderte und taubblinde
Menschen, immer auf dem neusten Stand zu sein. So brachte die SMS einen riesigen Fortschritt in der Fernkommunikation von schwerhörigen und gehörlosen Personen.
· Corinne Lörcher: Die Klienten und Klientinnen werden immer älter; altersbedingte Sehbeeinträchtigungen nehmen zu, ebenso die Demenzerkrankungen. Dies führt zu einer erschwerten Kommunikation, mit den entsprechenden Konsequenzen für die LV-Reha. Die Herausforderung ist dabei, die Angehörigen zu sensibilisieren und Betroffene zu stärken, sowie die Bereitschaft für eine Reha zu schaffen. Mein Leitmotiv dabei: Ressourcenorientiert arbeiten, Motivation, Training und Umsetzung im Alltag zu fördern.

Neuer Lehrgang bestand Nagelprobe
Die ersten 14 Personen, mehrheitlich Frauen, haben Mitte Juli einen neu gestalteten Lehrgang des SZBLIND als «SpezialistInnen für Rehabilitation von sehbehinderten und blinden Menschen» abgeschlossen. Der Lehrgang ist erstmals eidgenössisch anerkannt. Das neu gestaltete Ausbildungssystem zeichnet sich durch seinen modularen Aufbau mit drei Niveaus aus (theoretisches Grundlagenwissen und praktisches Grundlagenwissen im Umgang mit sehbehinderten Menschen sowie Spezialisierungsniveau im gewählten Fachbereich).

Weitere Informationen unter: www.szblind.ch (unter Weiterbildung/«Reha-Lehrgang»)