Solche oder ähnliche Schlagzeilen tauchen immer wieder auf und wecken bei den Betroffenen grosse Hoffnungen. Was steckt wirklich dahinter? Eine Auslegeordnung.

von Susanne Trefzer, Ressortleiterin Optische Hilfsmittel und Low Vision

Sicherlich würden blinde Klienten gerne in der Haut von Giordi la Forge aus der Fernsehserie Star Trek stecken. Mit Hilfe seines Visors kann er die Umwelt sogar differenzierter wahrnehmen als seine sehenden Kollegen. Doch wie sieht die Realität wirklich aus?

Drei Systeme – ein Versprechen

Im Wesentlichen gibt es heutzutage drei Systeme, die blinden Personen ein neues Sehen versprechen.

Fotografie einer Frau, die BrainPort ausprobiert. Sie hat eine Brille mit integrierter Kamera auf, die über ein Kabel mit dem Plättchen verbunden ist, das auf die Zunge gelegt wird.

BrainPort: „Sehen“ über die Zunge
Bild: Wicap 2014

Das eine System mit dem Namen „BrainPort“ überträgt die Signale einer Kamera als kleine Vibrationen auf ein Plättchen, das sich im Mund befindet und dazu führt, dass man quasi mit der Zunge „sieht“. Der Amerikaner Eric Weihenmayer hat damit sogar als erster Blinder überhaupt den Mount Everest erklommen (über ihn ist auch ein Dokumentarfilm erschienen: „Farther Than the Eye Can See“) Allerdings ist es nicht einfach, die Vibrationssignale richtig zu interpretieren und ein längeres und intensives Training ist unabdingbar.

Auch implantierbare Chips, die zwar nur rudimentäre Detailerkennung erlauben, aber dennoch hilfreich für die Orientierung sind, gibt es schon einige Zeit auf dem Markt. Mit Hilfe dieser Chips können blinde Personen Gegenstände und Hindernisse wieder erkennen, allerdings nur, wenn sie zuvor einmal gesehen haben, also eine normale Sehentwicklung durchgemacht haben, und einen gesunden, intakten Sehnerv besitzen. Diese Implantate kommen heutzutage bereits zum Einsatz – allerdings mit grosser Vorsicht. Der Chip wird nur implantiert, wenn das Auge wirklich blind ist und keine Verbesserung erwartet werden kann.

Und dann gibt es noch Brillen mit integrierten Kameras, die ein vergrössertes Bild auf  die in der Brille eingebauten Bildschirme projizieren. Diese sind auf dem Markt bereits von verschiedenen Anbietern erhältlich. Diese Kamera-Brillen sind im Grunde genommen nichts anderes als portable Bildschirmlesegeräte. Sie sind sehr gross, sperrig und zudem schwer. Man wird sie kaum über längere Zeit tragen wollen. Diese Produkte werden als Hilfsmittel angeboten, mit denen Blinde wieder sehen können. Das stimmt so nur im angelsächsischen Sprachraum, wo Personen ab einem gewissen (geringen) Visus als „legaly blind“ gelten, also blind vor dem Gesetz. Diese Personen sehen aber durchaus noch etwas, sonst würde der Bildschirm vor den Augen mit der vergrösserten Darstellung keinen Sinn machen.

Die Realität ist komplizierter

Alle diese erwähnten Techniken haben durchaus Potential, aber Vieles davon befindet sich noch im Experimentierstadium. Trotzdem denke ich, dass Personen, die ihr Sehvermögen eingebüsst haben, nach jedem Strohhalm greifen und darum auch für ungewöhnliche Lösungen offen sind. Dies ist mehr als verständlich und nachvollziehbar.

Die Schlagzeile: „Blinde werden wieder sehend“ sorgt immer wieder für grosse Aufmerksamkeit.  Es klingt so gut und lässt hoffen, aber die Realität ist – wie so oft – um einiges verzwickter. Einfache Lösungen gibt es nicht, höchstens Hilfe und Unterstützung in bestimmten Bereichen. Keine dieser technischen Errungenschaften ist in der Lage, ein menschliches Auge mit all seinen komplexen Funktionen der Wahrnehmung von Farben, Formen, Detail und Übersicht im Gesichtsfeld zu ersetzen. Ich finde es aber spannend und auch äusserst wichtig, dass immer wieder nach neuen Möglichkeiten gesucht wird und diese auch ausprobiert werden.  Die Weiterentwicklung dieser Geräte ist nicht zuletzt wegen des Mutes einiger Betroffener überhaupt erst möglich.