Verschiedene Faktoren bestimmen, für wen die Braille-Notenschrift sinnvoll ist

Zusammen mit meinem Sohn spiele ich vierhändig auf dem Klavier die „Ungarischen Tänze“ von Johannes Brahms. Es besteht keine Chance, meinen Part rein gehörsmässig zu lernen. Die geniale Blindennotenschrift von Louis Braille macht es auch möglich, dass ich mit einer sehbehinderten Kollegin einfachste Melodien von Blatt singe. Sie ist am Lernen der Braille-Schrift und an der Verbesserung der taktilen Fähigkeiten, alternativ zum Texte lesen.

von Martin Huwyler

Der Autor und seine blinde Kollegin am Flügel.

Gemeinsam musizieren ist ein grosses Vergnügen. Bild: Martha Vollenweider, SONNENBERG Baar

Musik ist selbstverständlich in erster Linie ein auditives Erlebnis. Das gehörsmässige Lernen hat oberste Priorität. Wir haben schliesslich auch erst Hören und Sprechen und später Lesen und Schreiben gelernt. Das Spielen mit oder ohne Noten ist abhängig von Kulturen, Musikstilen, musikalischer Bildung und Ansprüchen, dem Lese-Vermögen, Vorlieben, Fähigkeiten des Gehörs, der Leistung des Gedächtnisses oder der Fantasie. Das Notenspiel nun eröffnet die Möglichkeit, anspruchsvollere Literatur mit komplexen Zusammenklängen oder hohen Tempi kennenzulernen. Aber auch im elementaren Musikbereich macht das Lesen Freude, weil die taktile Wahrnehmung als Abwechslung zur sonst für blinde Menschen dominierenden auditiven Wahrnehmung als wohltuend empfunden werden kann.

Vermittlung der Notenschrift

Basierend auf dem Sechs-Punkte-System der Brailleschrift entwickelte Louis Braille auch die Notenschrift. Eine Regel besagt beispielsweise, dass Tonhöhe und Rhythmus im gleichen Zeichen vereinigt sind. Die Kombination der Punkte 1, 2, 4 und 5 ergeben die Notennamen. Und je nachdem, ob die Punkt 3 und / oder 6 dabei sind, ergeben sich die unterschiedlichen Notenwerte Viertel, Halbe, Ganze oder Achtel. Diese abstrakten Zeichen müssen durch musikalische Grunderfahrungen vorbereitet sein und sollen bereits beim Lernen mit Klangvorstellungen verbunden werden. Dafür bietet sich das „Vom Blatt Singen“ an. Wer einigermassen sicher am Keyboard ist, kann jeweils mit einer Hand lesen und mit der anderen die Symbole „zum Leben erwecken“.

Tricks zum Auswendiglernen

Weil bei den meisten Instrumenten beide Hände gebraucht werden, muss man alles auswendig lernen. Daher gilt es, gute Gedächtnishilfen für das Lernen oder Repetieren der Melodien zu finden. Zum Beispiel kann man auf sinnvoll gegliederte Abschnitte mit Blick auf Harmonielehre und Tonsatz achten und sich körperliche Abläufe wie Fingersätze oder Atembögen bewusstmachen.

Didaktisch ausserordentlich bedeutsam ist, dass man Noten auch selber schreiben kann. Der „Braillemusic-Editor“ ist sehr motivierend: In diesem einfachen Notensatzprogramm schreibt man mit Braillenoten und denkt auch in diesen Strukturen. Diese Braille-Kompositionen können dann auch mittels xml in Schwarzdrucknoten ausgedruckt werden. Nicht zuletzt verlangt die Vermittlung der Braillenotenschrift gute eigene Braille-Kenntnisse und Erfahrung in der Anwendung. Es ist nicht einfach, kompetente Lehrpersonen zu finden.

Angepasst an das jeweilige Instrument

Die Blindennotenschrift soll den Bedürfnissen und den musikalischen und intellektuellen Fähigkeiten der Musikerin oder des Musikers entsprechen. Für einen Schlagzeuger reicht es beispielsweise, die verschiedenen rhythmischen Elemente zu notieren. Eine Sängerin braucht mit ihren zwei Oktaven Stimmumfang nur drei Oktavzeichen und keine Zeichen für die Mehrstimmigkeit. Für den Gitarristen genügt die Akkordsymbolschrift. Viele musikalischen und instrumentalspezifischen Grundlagen wie Körperhaltung, elementare Tonbildungsübungen oder Unabhängigkeitstraining der Hände, können ohne Noten gelegt werden.

Wie kommt man an die Noten?

Um bereits existierende Braillenoten zu finden, ist die Schweizerische Bibliothek für Blinde, Seh- und Lesebehinderte SBS der richtige Ansprechpartner. Wünsche der Kundinnen und Kunden für neue Übertragungen werden mit Blick auf die Finanzierung und Planung geprüft. Die Deutsche Zentralbücherei DZB bietet einen kostengünstigen Schnellübertragungsservice namens Da Capo. Für Musikerinnen und Musiker mit technischem Geschick gibt es für ca. 1000.- CHF die Musiksoftware „Goodfeel“ bei „Dancing dots“. Mittels Notenscan und braillespezifischer Verarbeitung lassen sich gewisse Übertragungen selbst machen.

Wichtige Adressen:

  • Schweizer Bibliothek für Blinde, Seh- und Lesebehinderte SBS: www.sbs.ch
  • Deutsche Zentralbücherei für Blinde DZB: www.dzb.de
  • Braillemusik-Editor: www.veia.it
  • Dancing dots: www.dancingdots.com
  • Internationales Handbuch der Braillenotenschrift: www.braille.ch/musik
  • Buchtipp zum Erlernen der Braillenotenschrift: Martin Huwyler. „Musik-Punkte“ SBS