Portrait Philipp Handler

Wenn er die Qualifikation für Paris schafft, dann wird Sprinter Philipp Handler zum vierten Mal an Paralympics teilnehmen. Einzelsportarten eignen sich grundsätzlich gut für Menschen mit Sehbeeinträchtigung, findet der 31-jährige Zürcher und spricht über seine grösste Herausforderung auf der Sprintbahn. Die Orientierung ist es nicht.

Von Michel Bossart

Als er merkte, dass das Fussballspielen mit seinem Sehvermögen immer schwieriger wurde, wusste Philipp Handler, dass er sich eine andere Sportart suchen musste. «Ich bin immer schon gern und schnell gerannt, die Leichtathletik lag da einfach auf der Hand», sagt der 31-jährige Zürcher. Handler hat Achromatopsie, eine seltene vererbte Erkrankung der Netzhaut, und verfügt über eine Sehschärfe von etwas weniger als zehn Prozent. Er erklärt: «Sieht ein Normalsehender etwas in zehn Meter Entfernung, sehe ich das Hindernis erst, wenn ich einen Meter davorstehe.» Hinzu kommt eine komplette Farbenblindheit und eine starke Lichtempfindlichkeit.
Handler trainiert im Leichtathletik-Club Zürich. Seine Disziplinen sind Sprint auf 100 und 200 Meter Strecken. Doch wie ist es ihm möglich, die Bahn zu sehen und geradeaus zu sprinten? Handler lacht und erklärt: «Die Bahnlinie hat einen starken Kontrast. Bei 100 Meter geht das gut. Etwas komplizierter wird es bei 200 Meter, weil es um die Kurve geht und man vielleicht ungewollt Distanz verschenkt.» Das grösste Problem sei eh nicht die Orientierung, sondern die erhöhte Körperspannung. Es könnte sich ein Hindernis auf der Bahn befinden oder jemand läuft im dümmsten Moment über die Bahn. «Ich bin auf den Zuruf meiner Kollegen angewiesen», sagt er. «Wenn sie «Bahn frei!» rufen, vertrau ich ihnen und renne los.»
Handler ist der einzige im Training mit einer Sehbeeinträchtigung. Auch an 95 Prozent aller Wettkämpfe sprintet er mit Konkurrenten ohne Sehbehinderung mit. «Das funktioniert ganz gut», sagt er und ist doch etwas enttäuscht, dass in der Schweiz im Vergleich zum Ausland nicht mehr Menschen mit einer Sehbeeinträchtigung Leichtathletik betreiben.
Handler hat Wirtschaftswissenschaften studiert und arbeitet in einem 80-Prozent-Pensum als Finanzanalyst. Jeden Abend und am Samstag trainiert er. Sein Ziel: die nächstjährigen Paralympics in Paris.

Das Foto zeigt Philipp Handler im Stadion.
Bild: Gabriel Monnet/Swiss Paralympic

«Ich war schon in London, Rio de Janeiro und Tokio dabei und jedes Mal war es wirklich eine eindrückliche Erfahrung», erzählt er. Gerade Tokio ist ihm in besonderer Erinnerung geblieben: «Wegen Corona war alles unsicher. Es gab Höhen und Tiefen, dann die Verschiebung der Spiele um ein Jahr. Letztendlich fanden die Spiele aber statt und es war unglaublich cool: An der Eröffnungsfeier war ich Fahnenträger und ich habe mich für den Final qualifiziert, wo ich 7. wurde.»
Sprintdisziplinen eigenen sich für alle, die Freude an der Bewegung haben und sich gerne mit anderen messen. Klar, es sei von Vorteil, wenn man sich – so wie er – auf der Leichtathletikanlage selbst zurechtfinden kann. Doch solle man sich davon nicht abhalten lassen und nötigenfalls auf einen Guide zurückgreifen. Wer sich für Leichtathletik interessiere, kann sich bei PluSport über die Möglichkeiten informieren oder sich einfach beim nächsten Leichtathletikclub melden. «Das habe ich so gemacht: Mein erster Trainer hatte keinerlei Erfahrung mit Menschen mit Sehbeeinträchtigung und musste mit mir lernen, mit der Behinderung umzugehen. Es hat tipptopp geklappt », meint er zum Schluss.