Braille-Tipp


Mireille Zindel: Die Zone

Cyril ist No-Limit-Weltmeister im Apnoetauchen, im Tieftauchen ohne Sauerstofffl asche, stets im Wettkampf gegen seinen Erzrivalen Renaud und mit sich selbst. Wenn er nicht die Luft anhält oder sich um seine beiden Söhne aus einer gescheiterten Ehe kümmert, sucht er bei unterschiedlichen Frauen Zuflucht.
Der Erzählstil ist abgehackt, wie Gedankensplitter kurz vor der Bewusstlosigkeit. Die Satzfetzen werden – wie die Luft – manchmal immer weniger. Man fragt sich, ob Cyril tief unten im Meer auch einen anderen Ausweg sucht. Unter Wasser können einen die Probleme nicht belästigen. Sein Leben scheint immer extremer zu werden und gleichzeitig braucht er Stabilität. Denn der Puls darf nicht schneller werden, sonst verbraucht er zu viel Luft. Gar nicht so einfach, denn da sind nicht nur seine ihn hassende Exfrau und die zwei gemeinsamen Söhne, sondern auch seine verstorbenen Eltern, der tödlich verunglückte Bruder, eine Tochter, die nur Minuten gelebt hat, Alice, die er geliebt hat und die ins Wasser gegangen ist, und von deren Abschiedsbrief nur Cyril weiss. Und neben all diesen Schicksalsschlägen auch Rechnungen zu zahlen, Alimente, Beziehungen jonglieren, Bedürfnisse zu befriedigen – eine Zerreissprobe.
Das Schwierigste beim Freitauchen ist zu wissen, wann der Punkt zur Umkehr gekommen ist. Cyrils Leben steuert ebenfalls auf einen «point of no return », einen äussersten Punkt hin, den er nicht überschreiten darf, falls er lebend zurückkehren will. Als die Wut über all die erlittenen Verluste endlich kommt, ist es trotz der Heftigkeit eine Erleichterung. Ein intensives Buch, das einen in seinen Sog zieht wie eine mächtige Strömung im Meer.

Zindel, Mireille: Die Zone
Zürich: Lector Books, 2021.
Ausleihe: DS 53870


Einar Már Gudmundsson: Hundstagekönig

Jörgen Jörgensen lebte ein Leben, um das ihn so manche Romanfi gur beneiden würde, wie Einar Már Gudmundsson in seiner poetischen Romanbiographie beschreibt. Jörgensen kommt am 29. März 1780 in Kopenhagen als Sohn des Hofuhrmachers zur Welt. Er will Abenteuer erleben und heuert mit 14 Jahren auf einem britischen Schiff an und bereist die Welt. 1807, zurück in Kopenhagen, erhält er während der Napoleonischen Kriege das Kommando über ein Schiff, mit dem er direkt einem englischen Schiff entgegensegelt und nach kurzer Auseinandersetzung als «Kriegsgefangener auf Ehrenwort » in London festgesetzt wird. Dennoch segelt er 1809 nach Island und proklamiert Islands Unabhängigkeit vom Königreich Dänemark. Sich selbst macht er während der sommerlichen Hundstage zum König.
Gudmundsson plaudert mit einer für eine Biographie unverhofften Portion trockenen Humors über seinen Helden, erzählt Jörgensens Geschichte nicht chronologisch, sondern sprunghaft, fantastisch, assoziativ.

Gudmundsson, Einar Már: Hundstagekönig
München: btb, 2021. 4 Bd. 529 S.
Ausleihe: BG 37266


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Alle vorgestellten Bücher sind ausleihbar bei der SBS Schweizerische Bibliothek für Blinde, Seh- und Lesebehinderte:
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