Ursachen, Beschwerden und Behandlungsmöglichkeiten des „grauen Stars“

Der graue Star ist die weltweit häufigste Ursache für eine Seheinschränkung und die häufigste Erblindungsursache in Entwicklungsländern. Die Eintrübung der natürlichen Linse betrifft praktisch jeden Menschen im Laufe des Lebens. Doch heute ist sie dank moderner Operationsmethoden gut behandelbar. Trotzdem sind nur wenige Patientinnen und Patienten über den grauen Star informiert, so dass eine Behandlung nicht selten aus Angst unterbleibt.

Dr. med. Nadine Gerber-Hollbach

Bildausschnitt einer Cataract-Operation mit Ampulle und Operationsbesteck.

Die Cataract-Operation ist heute ein Routine-Eingriff.
Bild: https://training.mmlearn.org

Die Katarakt oder umgangssprachlich ‚Graue Star‘ ist eine Trübung der natürlichen Linse des Auges. Gemäss Weltgesundheitsorganisation WHO ist sie nach wie vor die häufigste Ursache für Sehbeeinträchtigungen weltweit und die häufigste Erblindungsursache in Entwicklungsländern. Die Trübung der Linse ist ein normaler Alterungsprozess. Sie betrifft meist beide Augen, kann aber in Spezialfällen auch nur einseitig vorkommen. Die Katarakt führt zu einer langsamen Verschlechterung des Sehvermögens sowie des Farb- und Kontrastsehens. Oft bemerken Betroffene, dass sich die Stärke ihrer Brillengläser rasch ändert, dass sie Leseprobleme bekommen, verschwommen sehen oder stark blendungsempfindlich sind. Manchmal können Doppelbilder auftreten. Im fortgeschrittenen Stadium kommt es zu Erblindung.

Neben der häufigeren altersbedingten Form gibt es angeborene Formen oder Katarakte, die sich schon in jüngeren Jahren entwickeln. Weitere Ursachen für eine Eintrübung der Linse sind vielseitig: Medikamenteneinnahme, z.B. Kortison, Unfälle oder Schläge aufs Auge, Augenoperationen, Mangelernährung, Strahlenbelastung oder systemische Erkrankungen wie Diabetes oder Rauchen. Somit ist praktisch jeder Mensch von der einen oder anderen Form im Laufe seines Lebens betroffen.

Was geschieht mit der Linse im Alter?

Auf molekularer Ebene nehmen im Alter das Gewicht und die Dicke der Linse zu und die Fähigkeit zur Akkommodation lässt nach. Durch die Bildung neuer Linsenfasern an der Aussenseite der Linse wird der Kern im Inneren der Linse komprimiert und verhärtet. Chemische Veränderungen im Laufe des Alters sind verantwortlich für eine andere Zusammensetzung der Linsenbestandteile als bei einer jungen Linse. Dabei formieren sich die einzelnen Linsenproteine zu grossen Proteinkomplexen, welche eine Trübung und bräunliche Färbung der Linse, aber auch zunehmende Streuung des Lichts verursachen.

Die Operation des „grauen Stars“

Heutzutage ist die Katarakt durch eine Operation heilbar. Die Katarakt-Operation ist die älteste und häufigste Operation der Welt und erfolgt unter sterilen Bedingungen im Operationssaal bei liegendem Patientinnen und Patienten. Über zwei bis drei kleine, ca. 1.5-3mm grosse Schnitte in der Hornhaut wird ein Zugang zur Linse geschaffen. Nach Eröffnung der vorderen Linsenkapsel wird die Linse selbst mittels Ultraschall zerkleinert und abgesaugt. In den verbliebenen Kapselsack wird dann eine künstliche Linse eingesetzt. Die Operation kann unter oberflächlicher Betäubung durch Augentropfen durchgeführt werden. Bei Bedarf kann aber auch eine lokale Betäubung hinter dem Auge (Parabulbär- oder Retrobulbäranästhesie), eine Operation in Dämmerschlaf oder unter Vollnarkose erfolgen. Das ist aber in der Regel von augenärztlicher Seite nicht erforderlich. Die Operation selbst dauert ca. 15 bis 30 Minuten und kann meist ambulant durchgeführt werden. In der Regel wird jedes Auge einzeln im Abstand von einigen Wochen operiert. Ob und wann operiert werden muss, hängt von verschiedenen Faktoren ab, zum Beispiel, inwiefern die Sehverschlechterung zu Beeinträchtigungen im Alltag, im Beruf oder im Strassenverkehr führt.

Notwendige Voruntersuchungen

Vor der Operation sind einige Voruntersuchungen sowie ein Vorgespräch mit dem Operateur und dem Narkosearzt notwendig. Dabei untersucht die Augenärztin mit der Spaltlampe die vorderen und hinteren Augenabschnitte mit weit gestellter Pupille, bestimmt die Brechkraft und die Sehkraft des Auges und vermisst die Grössenverhältnisse des Augapfels. Bei Bedarf werden individuell zusätzliche Messungen der Netzhaut oder der Hornhaut durchgeführt. Diese Untersuchungen helfen dem Arzt oder der Ärztin, zusammen mit dem Patienten, die optimale Linse auszuwählen, die später implantiert werden soll, und das OP-Verfahren entsprechend zu erwartender Probleme richtig zu planen. Mittels moderner Intraokularlinsen können heutzutage Kurz- und Weitsichtigkeiten aber auch Hornhautverkrümmungen korrigiert werden. Die Linse kann bei Problemen ausgetauscht werden; im Normalfall verbleibt sie aber lebenslänglich im Auge.

Vermeidung und Behandlung von Komplikationen

Die Komplikationsrate bei einer normalen Katarakt-Operation ist sehr gering und unter anderem abhängig vom Schweregrad der Katarakt, also dem Härte der Linse, sowie Vorerkrankungen oder Voroperationen des Auges. Trotzdem kann eine postoperative Infektion des Auges rasch und dramatisch verlaufen und zur Erblindung führen. Eine Verletzung der hinteren Linsenkapsel wird in der Regel direkt intraoperativ behandelt. Eine Schwellung der Netzhautmitte (Makulaödem) sowie Augendruckerhöhung nach der Operation können medikamentös und ohne Langzeitschäden behoben werden. Selten kommt es zu einer Netzhautablösung, die mit einer weiteren Operation wieder angelegt werden muss. Relativ häufig hingegen trübt die verbliebene Hinterkapsel der Linse im Laufe der Zeit ein (Nachstar) und führt zu ähnlichen Seheinschränkungen wie der graue Star. Nach Pupillenerweiterung kann diese Kapsel mittels Nd:YAG-Laser vom Augenarzt oder von der Augenärztin rasch und schmerzlos eröffnet und die Seheinschränkung behoben werden.

Operation – und danach?

Um Komplikationen während und nach der Operation zu vermeiden, ist eine eingehende Untersuchung des Auges, die Planung des Operationsverfahrens und eine passende Linsenauswahl unumgänglich. Neben entsprechenden Massnahmen während der Operation ist die Eigenverantwortung des Patienten enorm wichtig. Nach der Operation muss sich der Patient oder die Patientin mehrmals täglich für ca. vier Wochen antibiotische und entzündungshemmende Augentropfen verabreichen. Zudem erfolgen regelmässige Nachkontrollen beim Arzt oder bei der Ärztin.

Nach der Operation erholt sich die Sehschärfe rasch. Viele Patienten und Patientinnen sehen schon innerhalb der ersten Tage nach der Operation deutlich mehr als vorher. Die ersten Wochen nach der Operation müssen sie in der Nacht einen Augenschutz tragen und gewisse Aktivitäten wie Schwimmbad, Sauna, das Heben schwerer Gegenstände bzw. Kopf-Tieflage vermeiden. Bestimmte Sportarten sollten ebenfalls unterlassen werden. Eine Brillenanpassung kann und soll nach kompletter Abheilung, also ca. vier bis acht Wochen nach der Operation erfolgen.