Autobiografisches aus fernen Welten

Von Valentin Arens

Der vielfach ausgezeichnete Journalist Ta-Nehisi Coates schreibt in der Tradition von James Baldwin und Nobelpreisträgerin Toni Morrison über die grundlegende Erfahrung, schwarz zu sein in den Vereinigten Staaten von Amerika. Mit seinem Buch „Zwischen mir und der Welt“ gewann er letztes Jahr den prestigeträchtigen National Book Award. Es ist ein Brief an seinen 15 Jahre alten Sohn, dem Coates von seinen Erfahrungen und Gefühlen als Schwarzer berichtet und erklärt, dass trotz Obama die omnipräsente, rassistische Gewalt tief in der weissen amerikanischen Kultur verankert und für junge Schwarze lebensbedrohend ist.

Paul Austers Romane zehren stark von autobiografischen Einflüssen, also wundert es nicht, dass er viele Bücher explizit über das eigene Leben geschrieben hat. Das letzte ist der „Bericht aus dem Inneren“ von 2013. Es folgt direkt auf „Winterjournal“ aus dem Jahr davor. Während er sich in „Winterjournal“ vor allem auf die Geschichte seines Körpers, die Entwicklung seines physischen Selbst konzentrierte und dabei keine Blessur und Narbe ausliess, richtet Auster den Blick im „Bericht aus dem Inneren“ auf seine geistige Ausbildung und Formung vom Kind zum Schriftsteller.

Literaturnobelpreisträger Orhan Pamuk ist wohl der berühmteste Chronist Istanbuls. In seinem neuen Roman „Diese Fremdheit in mir“ setzt er seiner Geburtsstadt erneut ein Denkmal. Pamuk folgt dem Leben des Strassenverkäufers Mevlut in den Jahren zwischen 1969 und 2014, einer Zeitspanne, in der sich Istanbul um das zehnfache vergrösserte auf seine heute rund 13 Millionen Einwohner. Die Modernisierung der Stadt und der Gesellschaft geht nicht spurlos an Mevlut vorbei. Seine unpolitische, kleinkrämerische Haltung erlaubt es ihm jedoch, sich immer wieder zu arrangieren.

  • Coates, Ta-Nehisi: Zwischen mir und der Welt. München: Hanser Berlin, 2016. Ausleihe: DS 33078
  • Auster, Paul: Bericht aus dem Inneren. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, 2014. Ausleihe: DS 33621
  • Pamuk, Orhan: Diese Fremdheit in mir. München: der Hörverlag, 2016. Ausleihe: DS 33595

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Leiser und zugleich böser Humor

Berühmt wurde die englische Autorin Hilary Mantel mit den ersten beiden Bänden „Wölfe“ und „Falken“ ihrer historischen Tudor-Trilogie über Thomas Cromwell. Für beide erhielt sie den renommierten Man-Booker-Preis. Sie ist damit die erste britische Autorin, die den Preis gleich zweimal erhielt. 2014 wurde sie von Königin Elisabeth II. zur „Dame Commander“ des „Order of the British Empire“ ernannt und damit in den Adelsstand erhoben.

Nun erschien „Jeder Tag ist Muttertag“ auf Deutsch, ihr mehr als dreissig Jahre alter Debütroman. Und auch hier zeigt sich ein grundlegender Aspekt von Mantels Werk: ihr leiser und zugleich böser Humor. „Jeder Tag ist Muttertag“ ist eine typisch britische Satire, bissig, gnadenlos und immer an der Grenze, an der das Lachen im Hals stecken bleibt. Sarkastisch beschreibt Mantel hier das Versagen der Behörden im Umgang mit einer geistig behinderten, schwangeren Frau und ihrer traumatisierten, sadistischen Mutter.

  • Mantel, Hilary: Jeder Tag ist Muttertag. Köln: DuMont, 2016. Ausleihe: BG 25781