Unter der Lupe: die SAMS-Studie von 2015

2012 hat die Interessenvertretung des Schweizerischen Blinden- und Sehbehindertenverbandes (SBV) angeregt, den Arbeitsmarktzugang der Menschen mit Sehbehinderungen zu untersuchen. Eine Sonderauswertung von Daten des Bundesamtes für Statistik und der Invalidenversicherung hat einige Hinweise zur Arbeitssituation ergeben. Vor allem hat sie aber gezeigt, dass die Daten der Vielfalt der Aspekte des Berufslebens mit Sehbehinderung nicht gerecht werden. Der SZBLIND hat daraufhin das Forschungsprojekt SAMS, die „Studie zum Arbeitsleben von Menschen mit Sehbehinderungen“ skizziert. Was waren die wichtigsten Resultate der 2015 abgeschlossenen Studie?

Von Stefan Spring

SAMS hat unter der Leitung von Frau Dr. Sylvie Johner-Kobi (Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften) und Prof. Sylvie Meyer (Fachhochschule Westschweiz) die berufliche Gleichstellung von Menschen mit einer Sehbehinderung/Blindheit untersucht und danach gefragt, welche umwelt- und personenbezogenen Faktoren den beruflichen Werdegang von Menschen mit Sehbehinderung positiv oder auch negativ beeinflussen.
Die Studie wollte Faktoren identifizieren, die sehbehinderten und blinden Menschen Chancen für ein dauerhaftes und möglichst gleichgestelltes Berufsleben eröffnen. Daraus sollten die Beratungsorganisationen und die Selbsthilfe für ihre Arbeit möglichst direkt nutzbare Resultate gewinnen.
Mit einem Mix von Literatur- und Gesetzesanalyse, Gruppendiskussionen mit betroffenen Menschen und Arbeitgebenden, dem Einbezug der Expertinnen und Experten aus den Mitgliedsorganisationen und der Invalidenversicherung, sowie der bis dahin grössten nationalen Befragung im Sehbehindertenwesen, konnten folgende Erfolgsfaktoren aufgezeigt werden (Auswahl):

  1. Proaktive Kommunikation der Sehbehinderung
  2. Vorausschauende beruflich/fachliche Fort- und Weiterbildung
  3. Akzeptanz assistierender Technologien (seitens der Personen mit Sehbehinderung/Blindheit sowie seitens der Arbeitgebenden)
  4. Kompetenzen der betroffenen Personen beim Einsatz der Hilfsmittel und bei sehbehinderungsspezifischen Handlungsstrategien
  5. Unterstützende Arbeitskolleg/innen, formelle oder informelle Mentoren
  6. Unterstützendes privates Umfeld (psychosoziale Rückschläge). Sorge zur Work-Life Balance.
  7. Einstellungen und Vorurteile von (potentiellen) Arbeitgebenden. Gewährung von Zusatzzeit wo nötig.
  8. Austauschmöglichkeiten und Unterstützung in der Selbsthilfe
  9. Langjährige Erfahrung im Tätigkeitsbereich
  10. Bereitschaft, frühzeitig Support, Unterstützung und Hilfe zu suchen/anzunehmen

Eher überraschend ist, dass der Schweregrad der Sehbeeinträchtigung (leicht, mittel, schwer/blind) in Bezug auf arbeitsbezogene Gleichstellung in den meisten untersuchten Aspekten keinen nennenswerten Unterschied macht, mit Ausnahme der Vielfalt der Berufe. Ein spezielles Risiko wurde im Vorgesetztenwechsel identifiziert.
Unterschiede gibt es zwischen Personen, die vor der beruflichen Integration blind oder sehbehindert waren und Personen, die erst während des Arbeitslebens sehbehindert oder blind wurden. Letztere zeigen in Bezug auf die Gleichstellungsvariablen mehrheitlich schlechtere Werte als erstere. Dasselbe gilt für Menschen mit einer zusätzlichen Schwerhörigkeit. Dem Sehbehindertenwesen werden mehrere Entwicklungsaufgaben zugesprochen, so z. B. die Zugänglichkeit und die Nutzung der beruflichen Weiterbildung nicht länger zu vernachlässigen. Und schliesslich wurden die Beratungsorganisationen für Menschen mit Sehbehinderung dazu aufgerufen für den Bereich des Berufslebens ihrer Klientinnen und Klienten und auch für deren Arbeitgeber klar erkennbare Dienstleistungen zu entwickeln. Nicht nur die Suche nach einem beruflichen Tätigkeitsfeld, sondern vermehrt vorausschauende, präventive Massnahmen zur Verhinderung des Arbeitsverlustes sollen in den Vordergrund gerückt werden.

Kasten: Nach Abschluss der SAMS-Publikationen hat sich die ZHAW nochmals genauer mit den Daten zur beruflichen Vielfalt befasst. Die Befragungen hatten gezeigt, dass 84 verschiedene Berufe ausgeübt wurden. Im Vergleich zu früheren Studien eine deutlich grössere Berufsdiversität. Dies war der Anlass, die registrierte berufliche Diversität nach verschiedenen Variablen genauer zu analysieren und zu einem „Berufsdiversitätsquotient SAMS“ zu kondensieren (Johner-Kobi, 2018: Vom Korbflechter zur Informatikerin). Der Quotient kann z.B. für Vergleiche zwischen verschiedenen Teilgruppen, Befragungszeitpunkte, Länder, wirtschaftlichen Situationen (Rezession) usw. eingesetzt werden. Der aus SAMS entwickelte Berufsdiversitätsquotient wurde als gültiger allgemeiner Indikator für die berufliche Inklusion im Sinne der Gleichstellung erkannt, nicht nur im Bereich der Sehbehinderungen sondern allgemein.

Fachliteratur rund um die SAMS-Studie

Beruflich am Ball bleiben: mit Sehbehinderung
Die zusammenfassende Publikation zur „Studie zum Arbeitsleben von Menschen mit Sehbehinderung“ (SAMS) mit Kommentaren diverses Fachpersonen. SZBLIND 2860

Gut im Job
Acht Erfolgsfaktoren um ihren Arbeitsplatz möglichst lange zu erhalten
Ein kleiner Ratgeber zu den Resultaten und Empfehlungen aus der SAMS-Studie
erhältlich unter www.szblind.ch/informationsmaterial Art. 63.163

Gut im Job – So sehe ich, so arbeite ich (Infoset)
Informations- und Simulationsmaterial für den Einsatz am Arbeitsplatz.
erhältlich unter www.szblind.ch/informationsmaterial – Art. 63.177

Vom Korbflechter zur Informatikerin
Zunehmende Berufsdiversität für Menschen mit einer Sehbehinderung in der Schweiz – möglicher Indikator für Inklusion?
Johner-Kobi S., Riedi A.M. (2018) in VHN – Vierteljahresschrift für Heilpädagogik und ihre Nachbargebiete, SZBLIND PR 212

Ausführliche Literaturanalyse und Bibliographie zum Thema Berufsleben:
Bericht zu Modul 1 „Forschungsstand“ der Studie zum Arbeitsleben von Menschen mit Sehbehinderung. Erhältlich unter https://www.szblind.ch/sams-lit oder in der Bibliothek: SZBLIND 2682.