O-Ton-Kollagen als Erinnerungsalben

Janina Labhardt macht Erinnerungsalben zum Hören. Sie hört den Menschen zu, lauscht auf Geräusche und kreiert daraus Geschichten eines Anlasses, die den Menschen in guter Erinnerung bleiben sollen. Weil sie mit ihren O-Ton-Kollagen nur den auditiven Sinn anspricht, eignen sich ihre Alben besonders als Erinnerungsstücke für sehbehinderte und blinde Menschen. Nina Hug hat mit ihr darüber gesprochen.

Janina Labhardt mit ihrem Mikrofon an Bord des Schiffes, auf dem der Verein voicent seine Jahresreise veanstaltete.

Frau Labhardt, wie sind Sie auf die Idee gekommen in einer Welt, in der alle von Instagram und Youtube-Filmen reden, Audioreportagen anzubieten?
Ich habe einen Narren gefressen an Tonaufnahmen und liebe es mit auditiven Eindrücken zu arbeiten. Wenn ich Geräusche höre, mal von nah und mal von fern, mal leise und mal laut oder Menschen reden höre, dann brauche ich dazu keine Bilder. Meine Phantasie springt an und es beginnt ein Kino im Kopf.
Dieses Hör-Erlebnis, das ich habe, wenn ich die Augen schliesse und nur zuhöre, das möchte ich in meinen Audioreportagen auch meinen Kunden vermitteln und sie daran teilhaben lassen.

Wie reagieren die Menschen auf ihr Angebot?
Ich bin die einzige Dienstleisterin im deutschsprachigen Raum, die akustische Erinnerungsalben anbietet. Teilweise sind die Menschen verwundert und brauchen eine Erklärung, wieso ich weder mit Fotos noch mit Videos arbeite. Meistens entspannen sie sich schnell, weil nur ein kleines Mikrofon wie beiläufig mithört.

Wie entsteht so eine Audioreportage, zum Beispiel von einer Hochzeit oder einem Firmenanlass?
Im Vorfeld kläre ich, ob bereits eine konkrete Idee für die Reportage vorliegt. Manche Auftraggeber wissen schon sehr genau, wie das Endergebnis aussehen soll, andere wollen sich überraschen lassen. Ich interessiere mich dafür, welche Personen unbedingt zu Wort kommen sollen. Oder, welche Themen unbedingt und welche gar nicht von mir aufgenommen werden sollen. Dann mache ich vielleicht auch schon erste Interviews vor dem eigentlichen Fest oder Anlass, je nach Wünschen der Auftraggeber.
Am Anlass selber ist es wichtig, dass ich kurz vorgestellt werde und meine Rolle klar erklärt wird. Diejenigen, die nicht aufgenommen werden wollen, können es mir ungeniert mitteilen. Danach bewege ich mich ganz selbständig in der Gruppe und spreche konkret die Menschen an, deren Geschichten mich interessieren oder nehme je nach Situation Reden an das Publikum oder die allgemeine Geräuschkulisse auf.

Wie bringen Sie die Menschen dazu, Geschichten zu erzählen?
Um das Eis zu brechen, ist es am einfachsten über ganz alltägliche Dinge mit den Menschen zu reden. Dann kommen die Geschichten meist von allein. Ich stelle keine steifen Interviewfragen sondern führe eher ein Gespräch in dem ich auch persönlich von mir etwas Preis gebe. Auf der Jahresreise von voicenet zum Beispiel, die ich begleiten durfte, war ein blinder Vater mit seiner sehenden Tochter unterwegs und sie hielten sich an den Händen. Ich bin auf sie zugegangen, und habe ihnen gesagt, wie mich das Bild berührt und dass ich festgestellt habe, wie lange es her ist, dass ich mit meinem eigenen Vater Hand in Hand gelaufen bin. Da waren wir sehr schnell in einem intensiven Gespräch.

Ihre Reportagen sind O-Ton-Kollagen, keine moderierten radioähnlichen Stücke. Wieso?
Wenn es vom Kunden gewünscht würde, mache ich auch einen moderierten Beitrag. Aber ich finde es schöner, anspruchsvoller und authentischer, wenn ich meine Hörerinnen und Hörer auf eine Reise mitnehme, die auch ohne moderierte Übergänge verständlich ist. Wenn ich ein Interview beende, dann sage ich zum Beispiel „vielen Dank für das Gespräch. Jetzt werde ich mich noch an Deck des Schiffes etwas umsehen“ und man hört danach meine Schritte, wie ich laufe, Türen, wie sie sich öffnen und dann den Wind, der auf dem Schiffsdeck bläst. So kann man mir folgen, ohne dass ich moderiere und es kommt daher wie aus dem Leben gegriffen. So kann das Kino im Kopf losgehen und Lücken füllen sich automatisch mit Bildern der Phantasie.

Haben ihre Reportagen eine bestimme Länge?
Bisher hat mich noch kein Auftraggeber auf eine exakte Zeit festgelegt. Ich möchte, dass die Reportagen spannend bleiben und das wesentliche enthalten. Da geniesse ich es, dass es sich um die Qualität des Inhalts dreht und nicht, ob es zehn Minuten länger oder kürzer dauert – anders als bei der Auftragsarbeit fürs Radio.

Haben Sie bei ihren Engagements für blinde und sehbehinderte Kundinnen und Kunden etwas lernen können von den Menschen, die sie dort begleitet haben?
Zum Beispiel habe ich erklärt bekommen, wie Menschen mit Blindheit oder Sehbehinderung jassen. Das war für mich neu und wurde mir so gut beschrieben, dass ich mir das sehr gut vorstellen konnte.

Gibt es Anlässe, die sie besonders interessieren?
Der Klassiker sind Hochzeiten oder Firmenfeste. Aber ich kann von jeglicher Art Anlass eine O-Ton-Kollage machen. Neulich hat mich jemand gefragt, warum ich nicht eine Kollage an einer Trauerfeier mache. Die Geschichten, die dort über den Verstorbenen erzählt würden, müsse man doch festhalten. Das wäre komplett neu für mich, weil es sich dabei nicht um einen Festakt oder eine gefeierte Person handelt.

Kontakt Janina Labhardt:
Web: https://reportagen-vom-feinsten.com/
Mail: janina.labhardt@gmail.com
Telefon: 078 676 40 50