Entwicklungen bei den Diagnosemöglichkeiten in der Augenheilkunde

Über die letzten Jahrzehnte hat es in der Augenheilkunde immer wieder bedeutende technologische Fortschritte und Innovationen gegeben. Seit dem Aufkommen von bildgebenden Verfahren hat sich insbesondere im Bereich der Augenuntersuchung einiges getan. Tactuel gibt einen Überblick über die unterschiedlichen modernen Diagnosetechniken in der Augenheilkunde.

Von Dr. David, FMH Ophthalmologie und Ophthalmochirurgie, Ehemaliger Chefarzt an der Augenklinik Jules-Gonin

Das Auge einer Patientin wird mit einer Spaltlampe untersucht.
Bild: PantherMedia / Wavebreakmedia ltd

Augenuntersuchung

Bei einer klinischen Beurteilung durch die Augenärztin oder den Augenarzt steht die Bestimmung der Sehfähigkeit im Zentrum. Solche Beurteilungen wurden im Laufe der Jahre auf vielfältige Art und Weise vorgenommen. Die gängigsten Massnahmen sind die Bestimmung der Sehschärfe und die direkte Untersuchung des Auges mithilfe einer Spaltlampe. Die Sehschärfe wird anhand eines Standardverfahrens bestimmt und kann unter anderem als Dezimalzahl oder in LogMAR angegeben werden. Es wird untersucht, wie gut ein Auge in der Lage ist, zwei Objekte auf eine bestimmte Distanz als selbständige Objekte zu sehen. Mit der Spaltlampe wiederum werden sämtliche Augenstrukturen untersucht und es wird geprüft, ob irgendwo eine Schädigung vorliegt. Im 19. Jahrhundert entwickelte Hermann von Helmholtz das Ophthalmoskop (Augenspiegel). Bei der Untersuchung mit diesem Gerät durchdringen Lichtstrahlen das transparente Augengewebe (Hornhaut, Kammerwasser, Linse, Glaskörper) und ermöglichen so eine Untersuchung der Netzhaut. Aus dieser Technologie hat sich die heute bekannte Spaltlampe entwickelt. Hierbei handelt es sich um ein mit einer Lichtquelle gekoppeltes Mikroskop zur Untersuchung des Auges.

Zusammen mit der Bestimmung der Sehschärfe ist der Einsatz der Spaltlampe mittlerweile bei allen Augenärztinnen und -ärzten Teil der Standardaugenuntersuchung. Diese hat allerdings auch ihre Grenzen. Die Darstellung mikroskopischer Details ist nämlich nur beschränkt möglich, und wenn sich bestimmte Bereiche eintrüben (durch Vernarbung, grauen Star, Einblutungen usw.), kann sich eine solche Untersuchung rasch als unzureichend erweisen. Um eine bessere Diagnosestellung und Patientenbetreuung zu gewährleisten, entstand somit rasch ein Bedürfnis nach anderen Instrumenten, mit denen sich das Auge und seine Funktionen untersuchen lassen. Die jüngsten Entwicklungen im Bereich der bildgebenden Verfahren haben die Augenheilkunde in den vergangenen Jahrzehnten grundlegend verändert und grosse Fortschritte gebracht. Ich werde im Folgenden auf einige dieser Entwicklungen eingehen:

OCT (Optical Coherence Tomography)

Schädigungen der Makula, die sich im zentralen Teil der Netzhaut befindet, haben bei der Diagnosestellung lange Zeit für Kopfzerbrechen gesorgt. Einige Läsionen sind so klein, dass sich deren Schweregrad mit der Spaltlampe kaum feststellen lässt. Die Entwicklung der OTC (Optische Kohärenztomografie) um die Jahrtausendwende hat die Augenheilkunde revolutioniert. Diese Technologie ermöglicht es, mithilfe eines Laserstrahls im Infrarot-Bereich die verschiedenen Schichten der Netzhaut sichtbar zu machen. Mit diesem bildgebenden Verfahren können eine Auflösung von wenigen Mikron erreicht und Netzhautläsionen, die sich zuvor nicht betrachten liessen, sichtbar gemacht werden. Das Gebiet Medical Retina (Behandlung von Netzhauterkrankungen mit konservativer Therapie) und die Behandlung von Krankheiten wie altersbedingte Makuladegeneration (AMD) konnten am meisten von dieser Technologie profitieren. Mit der OCT lassen sich heute aber auch Krankheiten wie das Glaukom besser behandeln. Die Möglichkeit einer Zählung der Sehnervenfasern und die laufende Überwachung von Veränderungen haben eine Erkennung von Frühstadien des Glaukoms sowie die Betreuung von Risikopatientinnen und Risikopatienten ermöglicht, bevor sich die Krankheit überhaupt klinisch manifestiert. So können diese Patientinnen und Patienten heute rechtzeitig behandelt und das Auftreten der Krankheit verhindert oder eine Stabilisierung der Sehkraft erreicht werden.

Angiografie der Netzhaut

Die Angiografie ist ein in der Medizin schon lange bekanntes diagnostisches Bildgebungsverfahren. Die Patientin oder der Patient erhält einen fluoreszierenden Farbstoff in die Vene gespritzt, der sich dann in sämtlichen Gefässen des Körpers ausbreitet. In der Augenheilkunde wird diese Untersuchungsmethode mit Netzhautfotos kombiniert, was die Gefässe wie auch den Blutfluss im Auge sichtbar macht. Daher war diese Technik auch lange Zeit ein nützliches Instrument bei der Diagnose von u. a. Gefäss- oder entzündlichen Erkrankungen im Auge. Aufgrund der notwendigen Injektion, die von den Patientinnen und Patienten normalerweise als unangenehm empfunden wird, handelt es sich allerdings um ein invasives Verfahren. In jüngster Zeit wurden aber insbesondere über den Weg der OCT Alternativen entwickelt, und in den vergangenen Jahren hat die OCT-A (Optische Kohärenztomografie-Angiografie), die eine nichtinvasive Visualisierung der Blutgefässe der Patientin oder des Patienten ermöglicht, in der Augenheilkunde Fuss gefasst. Hier kommt dieselbe Technologie wie bei der OCT zum Einsatz, und der retinale Blutfluss lässt sich bildlich darstellen. Die OCT-A ist einfach durchzuführen und ermöglicht auch ohne Injektion oder sonstige für die Patientin oder den Patienten unangenehme Verfahren eine präzise Diagnosestellung. Nichtsdestotrotz kommt das Verfahren bei bestimmten Erkrankungen nach wie vor erst als Ergänzung zur klassischen Angiografie zum Einsatz und ersetzt diese noch nicht.

Hornhauttopografie

Die Hornhaut gleicht einer halbkugelförmigen Schale, die die Vorderseite des Auges bedeckt. Es handelt sich um eine transparente, lichtdurchlässige Struktur, welche die Lichtstrahlen am hinteren Ende des Auges in einem Brennpunkt bündelt. Sie schützt das Auge auch vor äusseren Einwirkungen und ihre Oberfläche ist mit einem Tränenfilm bedeckt. Eine Veränderung ihrer Krümmung wird als Astigmatismus (Hornhautverkrümmung) bezeichnet. Die Untersuchung der Hornhautkrümmung war für Augenärztinnen und Augenärzte insbesondere im Falle von Erkrankungen wie dem Keratokonus oder der pelluzidalen marginalen Degeneration, die zu einer Verformung der Hornhaut führen, stets eine Herausforderung. Das Aufkommen neuer, moderner Instrumente zur exakten Messung der Hornhauttopografie hat die Behandlung dieser Krankheiten revolutioniert. Sogenannte Topografen sind in der Lage, wie ihr Name sagt, Veränderungen in der Hornhautkrümmung in Form einer topografischen Karte der Augenoberfläche darzustellen – wie man es seit Langem von Landkarten der Schweiz kennt. Diese Instrumente ermöglichen es, die Hornhautoberfläche modellhaft darzustellen und Veränderungen genau im Auge zu behalten. Mithilfe dieser neuen Technologien konnten unter anderem Verfahren wie die refraktive Laserchirurgie entwickelt werden, dank der Menschen, die keine Brille mehr tragen möchten, ihre Fehlsichtigkeit korrigieren lassen können. Sie ermöglichen ferner eine präzise Überwachung des Verlaufs und die Behandlung von Hornhauterkrankungen wie dem Keratokonus.

Was die Zukunft bringt

Die Augenheilkunde gehört in Sachen Innovationen, von denen sie Jahr für Jahr profitiert, zu einer der dynamischsten medizinischen Fachrichtungen. Die vorgängig genannten Beispiele stellen bei Weitem keine erschöpfende Liste dar. Sie verschaffen jedoch einen Eindruck über das Ausmass der in den vergangenen Jahrzehnten durch jede technologische Neuerung erfolgten Veränderungen sowie über den für die Patientinnen und Patienten entstandenen Nutzen. Zahlreiche akademische oder industrielle Forschungsteams arbeiten an vielversprechenden Technologien, und in den kommenden Jahren wird unser Bereich noch durch weitere neue diagnostische und therapeutische Möglichkeiten bereichert werden.