Hörbuch-Tipps

Der pakistanische Autor Mohammed Hanif wird oft mit dem US-Schriftsteller Joseph Heller verglichen. Beide waren Kampfpiloten, die ihre traumatischen Erfahrungen in satirischer Form zu bewältigen suchen. In «Rote Vögel», verwickelt er seine Hauptfigur, den 15jährigen Momo, in eine aberwitzige Geschichte. Momo wohnt mit seinen Eltern in einem Flüchtlingscamp «irgendwo in einer orientalischen Wüste». Mit seinem philosophierenden Hund Mutt rettet er einen amerikanischen Piloten, der eigentlich das Camp bombardieren sollte, kurz davor aber mit dem Flugzeug abgestürzt ist.

Natalie Fergies Roman «Die Nähmaschine» spielt in Schottland zwischen 1911 und 2016 und konzentriert sich auf die Hauptfiguren Jean, Connie und Fred. Jede der drei steht für eine Generation und alle kommen mit derselben Singer-Nähmaschine in Berührung. Diese stellt für jede etwas anderes dar. Sie ist Trost, Ablenkung, Symbol der Genügsamkeit, Schlüssel zur Freundschaft und Quelle künstlerischer Inspiration. Zudem ist sie ein ideales Versteck für kleine Nachrichten. Die leicht zu lesende, hübsch genähte Geschichte führt zu einem lange gehüteten Geheimnis, das der letzte Besitzer Stich für Stich aufzulösen beginnt.

Tom Rachmans «Die Gesichter» ist ein atypischer Künstlerroman. Bear Bavinsky ist der von allen bewunderte Malerstar, der mit vielen Frauen an vielen Orten viele Kinder gezeugt hat. Eines dieser Kinder ist Charles Bavinsky, genannt Pinch, und der ist das genaue Gegenteil seines flamboyanten Vaters. Anstatt dem aufregenden Leben des Vaters, folgt der Roman dem mittelmässigen Leben des Sohnes von den 1950er Jahren bis zum Tod Bears und schildert Pinchs unablässige Versuche, mit seinem geliebten Vater in Beziehung zu treten und Anerkennung zu finden.

• Hanif, Mohammed: Rote Vögel
Hoffmann und Campe, 2019. Ausleihe: DS 47078
• Fergie, Natalie: Die Nähmaschine
München: Wunderraum, 2019. Ausleihe: DS 47102
• Rachman, Tom: Die Gesichter
München: dtv, 2018. Ausleihe: DS 47126

Braille-Tipp

Mit dem Roman «Alle, die vor uns da waren» schliesst Birgit Vanderbeke ihre autobiografisch inspirierte Trilogie ab. Befassten sich die beiden ersten Bände vor allem mit der schwierigen Kindheit der Autorin, geht es im letzten Teil um die Probleme der jüngeren Vergangenheit und Gegenwart. Auf Achill Island, einer kleinen Insel bei Irland, wohnt sie im ehemaligen Haus von Heinrich Böll, um in Ruhe zu arbeiten, denn dort, «hinter dem Ende der Welt», gibt es keinerlei Ablenkungsmöglichkeit. So bleibt viel Zeit, den wiederkehrenden Gedanken nachzuhängen und den Stimmen verstorbener Schriftsteller zu lauschen, die vor ihr da waren. Neben Böll, zum Beispiel Gerhard Zwerenz oder Helga Novak, die, wie Vanderbeke, ebenfalls aus der DDR stammten. Ein melancholisches, bisweilen verstörendes, aber letztlich tröstliches Buch.

• Vanderbeke, Birgit: Alle, die vor uns da waren
München: Piper, 2019. 2 Bd. 195 S. Ausleihe: BG 30435