Hörbuchtipps

Der russische Schriftsteller Michail Siskin war noch vor wenigen Jahren der meist gefeierte Autor Russlands. Jetzt gilt er als Landesverräter, weil er das Regime öffentlich kritisiert. Dabei prangerte er den Unrechtsstaat bereits in seinem im Jahr 2000 erschienen Meisterwerk „Die Eroberung von Ismail“ an. Im Roman wird ein Jüngstes Gericht abgehalten mit Zeugen aus der Mythologie, der Literatur, der Kunst und der Geschichte. In einem langen Epilog erzählt Siskin aus seinem Leben und wie er vom juristischen System Russlands im Stich gelassen wurde.

Ilja Erenburgs Roman „Das bewegte Leben des Lasik Roitschwantz“ erschien erstmals 1928 in Russisch. Die noch immer gültige deutsche Übersetzung erschien 1929 und wurde jetzt neu aufgelegt. Das Buch handelt von der Odyssee des armen Schneiderlein Lasik Roitschwantz, die ihn aus seinem Schtetl führt, über Moskau, Berlin, Paris nach Jerusalem. Dabei gerät der jüdische Schweik wegen seiner Naivität immer wieder in die Bedrouille.

Julian Barnes Roman „Der Lärm der Zeit“ spielt ebenfalls in Russland zur Stalinzeit. Hauptfigur ist der Komponist Dmitri Schostakowitsch, dessen gefeierte Oper „Lady Macbeth von Mzensk“ von Stalin höchstpersönlich kritisiert wird, was einem Todesurteil gleich kommt. Barnes zeigt, wie die Angst vom Komponisten Besitz ergreift, er sich den repressiven Regeln unterwirft und jegliche Selbstachtung verliert. Doch am Ende erklingt ein versöhnlicher Dreiklang, der „vom Lärm der Zeit rein war und alle und alles überdauern würde.“

  • Siskin, Michail: Die Eroberung von Ismail. München: Deutsche Verlags-Anstalt, 2017. Ausleihe: DS 3625
  • Erenburg, Il‘ya: Das bewegte Leben des Lasik Roitschwantz. Berlin: Die Andere Bibliothek, 2016. Ausleihe: DS 35642
  • Barnes, Julian: Der Lärm der Zeit. Köln: Kiepenheuer und Witsch, 2017. Ausleihe: DS 35904

Braille-Tipp

Dass sich Margaret Atwood auf bedrückende Zukunftsvisionen versteht, hat sie bereits 1985 in „Der Report der Magd“ gezeigt. Atwoods Dystopien gehen von aktuellen sozialen Problemen aus. So auch in „Das Herz kommt zuletzt“. Stan und Charmaine leben in ihrem Auto seit sie Job und Haus verloren haben. In ihrer Verzweiflung lassen sie sich anwerben, in einer ummauerten Stadt zu wohnen, in der alle monatlich abwechselnd mal privilegierte Bewohner-, mal inhaftierte Arbeiter sind. Bald aber wird ihnen klar, was sie mit ihrem Traum von einem gesicherten Leben aufgegeben haben: ihre Meinungsfreiheit, die Redefreiheit oder auch nur die Bewegungsfreiheit.

  • Atwood, Margaret: Das Herz kommt zuletzt. München ; Berlin: Berlin Verlag, 2017. 5 Bd. 643 S. Ausleihe: BG 27235