Portrait Claudia Kunz-Inderkummen

Das Bild zeigt Claudia Kunz-Inderkummen am Schiessstand.
6. EM-Rang für Claudia Kunz-Inderkummen in der Kategorie «Stehend». / Bild: zVg

Von Michel Bossart

Blinde und sehbeeinträchtige Sportschützinnen und Schützen schiessen mit akustischen Zielhilfen. Wie das funktioniert, erklärt Claudia Kunz-Inderkummen, die erfolgreichste Schweizer Sportschützin. Sie erläutert auch, warum nicht unbedingt das Gehör, sondern der Gleichgewichtssinn die grosse Herausforderung darstellt.

Der Schiesssport für blinde und sehbeeinträchtigte Menschen wird hierzulande von VI-Shooting Schweiz koordiniert; wobei «VI» für den englischen Ausdruck «Visual Impairment» steht. Sehbehinderte Menschen schiessen in der Regel auf die 10-Meter-Distanz und in zwei Positionen: stehend und liegend. Die erfolgreichste Schweizer Schützin ist die 59-jährige in Uster wohnhafte Walliserin Claudia Kunz-Inderkummen. Sie trainiert mit ihrem Trainer Heinz Reichle in Küsnacht am Zürichsee. «Ungefähr 35 Stunden pro Woche», fügt sie an. Dabei finden die Trainingseinheiten nicht nur im Schiessstand statt. «Mein Training umfasst auch Krafttraining, Schwimmen und Mentaltraining. Mein Tag ist Sport», sagt sie.
Kunz-Inderkummen hat eine erblich bedingte Makuladegeneration und besitzt derzeit noch eine Sehkraft von zwei Prozent. Als Kunz-Inderkummens Sehkraft mit 49 Jahren noch bei zehn Prozent lag, kam sie zum ersten Mal in Kontakt mit dem Schiesssport. Sie erinnert sich: «Mein Leben lang habe ich Fussball gespielt und besitze sogar das Trainerinnendiplom. Als mir dann mal jemand vom Blindenschiessen erzählte, konnte ich mir gar nicht vorstellen, wie das funktionieren sollte.» Neugierig geworden, besuchte sie ein Probetraining und «dann haben sie mich nicht mehr gehen lassen», lacht sie. Ihr gefällt, dass sich Schiesssport bis ins Alter machen lässt und dass sich die Ausübung von Sehenden und Nichtsehenden kaum unterscheidet. Wie sie das meint, er klärt sie so: «Wir zielen mit akustischen Zielhilfen. Im Zielfernrohr befindet sich eine hochauflösende Kamera und auf der Zielscheibe ein Sensor. Je genauer ich auf die 10 ziele, desto höher wird der Ton. Wenn der Ton stimmt, dann muss ich – wie Sehende auch – sauber und ruhig abziehen.» Dazu brauche es ein ausgeprägtes Konzentrationsvermögen, Feingefühl, Koordination, Körperspannung und viel Gleichgewichtssinn. Denn seit 2021 müssen alle Athletinnen mit Sehbeeinträchtigung mit Dunkelbrille schiessen. Das ist für viele Betroffene eine echte Herausforderung, denn mit jedem Prozent Sehkraft nimmt auch der Gleichgewichtsinn entsprechend ab. «In vollständiger Dunkelheit zu schiessen, das ist eine ganz andere Welt», sagt Kunz-Inderkummen. Etwas, das man hart trainieren müsse. Ein Vorteil handkehrum sei, dass man sich ganz auf die Ohren verlassen müsse und so das Gehör schule.
Kunz-Inderkummen schiesst mittlerweile auf Weltniveau und nimmt regelmässig an internationalen Turnieren teil. Seit 2018 schiessen Männer und Frauen gemeinsam und nicht mehr in eigenen Kategorien. Weil Sportschiessen nicht olympisch ist, bilden die Europa- und Weltmeisterschaften die sportlichen Höhepunkte im Jahr. Besonders stolz ist Kunz-Inderkummen darum auf ihre zwei Bronzemedaillen, die sie 2016 an der EM und WM geholt hat. «Und auf meinen 4. Platz auf der aktuellen Weltrangliste!», fügt sie an.
Auch wenn es ihr an der letzten WM in Dubai und an den Schweizermeisterschaften gar nicht gut gelaufen sei, freut sie sich auf die diesjährigen Saisonhighlights. Problemlos hat sie nämlich die Qualifikation für die EM in Rotterdam und die WM in Peru geschafft.
Wer sich für den Schiesssport interessiert, kann sich auf der Webseite www.vi-shooting-sui.ch informieren und Kontakt mit den Verantwortlichen aufnehmen.