Hörbuch-Tipp

Fabienne Maris: Hitzewelle

«Sie haben ja heute Geburtstag», sagt die Supermarktkassiererin zu Jonathan. Das wirft den nun 35-Jährigen dann doch ein wenig aus der Bahn. Kurz darauf stuft ihn eine telefonische Umfrage des Gesundheitsministeriums zur jährlichen Erhebung der sozialen Vernetzung als «sozial weitgehend isoliert» ein, da er nur drei Bezugspersonen nennen kann. Er müsse daher zu einer Vorsorgeuntersuchung bei einem Therapeuten, wird ihm mitgeteilt. Und dass er als erste Massnahme gegen seine soziale Isolation versuchen soll, jeden Tag mit möglichst vielen Menschen zu sprechen. Die Gelegenheit bietet sich einige Tage später. Eine Hitzewelle hält das Land in Schach und sorgt immer wieder für Stromausfälle. Als Jonathan mit einem neuen Ventilator vom Einkaufszentrum mit dem Bus nach Hause fahren will, wird er auf eine ältere Dame aufmerksam, die sehr unter der Hitze leidet. Da der Bus nicht fährt, spricht er die erstbeste Person an, die er auf dem Parkplatz antrifft. Es ist dieselbe Supermarktkassiererin, Laura, die die beiden in ihrem Auto nach Hause fährt. Mit dieser ersten Kontaktaufnahme kommt etwas in Jonathans Leben in Bewegung. Jonathan merkt, dass er nicht allein ist auf der Welt. Die Strom- und Wasserversorgungsprobleme lösen Ereignisse aus, die sich positiv auf ihn auswirken. Auch seine Beobachtungen der Umgebung, etwa die Froschfamilie, die in einem Topf auf seinem Balkon eine Heimat findet, weil es von oben her tropft, wirken vieldeutig; Das Leben hält wieder Einzug in Jonathans Alltag, erst nur zart und vorsichtig, dann in einem immer stärker werdenden Sog und schliesslich mit einem beinahe mystischen Knall. Ein Buch voll leiser Töne, die aber lange nachhallen.

Maris, Fabienne: Hitzewelle
Zürich: Atlantis Verlag, 2022. Ausleihe: DS 55100


Braille-Tipp

Lauren Groff: Matrix

Die 17-jährige Marie reist im Frankreich des Jahres 1158 ihrer neuen Bestimmung zu. Die grossgewachsene, uneheliche Halbschwester der Königin Eleonore ist für die Ehe ungeeignet und soll Priorin eines verarmten Klosters in England werden. Da die von ihr verehrte Eleonore auf ihr Flehen um Rückkehr an den Hof nicht reagiert, beschliesst Marie, eine ernstzunehmende Gewalt zu werden. Sie führt das Kloster aus der bitteren Armut und hin zu einem prosperierenden Betrieb. Schliesslich erscheinen ihr sogar Eva und Maria. «Matrix» ist eine rasante Lebensgeschichte, mit einer sympathischen, weil überaus menschlichen Heldin. Der im Präsens gehaltene, trocken-sarkastische Schreibstil lässt die Geschichte sehr aktuell wirken und beschert einem so manches Schmunzeln. Die Geschichte kommt voller Pathos, Kitsch und Klischee daher, aber im Gegenzug lässt Lauren Groff ihre Figuren auch sang- und klanglos an den unmöglichsten Ursachen erkranken und sterben. Ein schillernder Historienroman von grosser Aktualität.

Groff, Lauren: Matrix
Berlin: Claassen, 2022. 4 Bd. 457 S. Ausleihe: BG 38361


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