Heute tritt Marie-Paule Christiaen, eine der Pionierinnen im Bereich Low Vision in der Schweiz, in den wohlverdienten Ruhestand. Die Redaktion des tactuel nutzt die Gelegenheit, ihre Arbeit zu würdigen und zeigt auf, wie sie den Bereich Low Vision geprägt hat.

Von Carol Lagrange

Die Karriere von Marie-Paule Christiaen begann 1980. Mit ihrem Diplom als Ergotherapeutin in der Tasche bewirbt sie sich erfolgreich bei der Association pour le Bien des Aveugles et Malvoyants (ABA) für eine neu geschaffene Stelle. Sie erlernte die Brailleschrift, beschäftigte sich mit dem Erwerb lebenspraktischer Fertigkeiten für Sehbehinderte und nahm 1981 ihre Tätigkeit im Bereich Soziale Arbeit bei der ABA, dem ersten ambulanten Rehabilitationszentrum, auf. Sie besuchte die ersten vom SZBLIND angebotenen Weiterbildungskurse und gehörte 1984 zu den zwölf «Auserwählten», die während drei Wochen in Schweden eine Ausbildung in Low Vision absolvieren konnten.

Nach ihrer Rückkehr engagierte sie sich für die Ausbildung anderer Fachpersonen, da der Bereich Low Vision in der Schweiz noch in den Kinderschuhen steckte. Im Jahr 1987 startete dann der erste Lehrgang des SZBLIND in der Westschweiz, den Marie-Paule Christiaen mitgestaltete.

Von 2003 bis 2005 koordinierte Marie-Paule Christiaen eine Studie mit dem Titel «Voir en EMS» (Sehen in Alters- und Pflegeheimen), die sich der Frage der Prävalenz von Sehbeeinträchtigungen in Alters- und Pflegeheimen sowie den «Anpassungen des baulichen Umfelds von Alterseinrichtungen» widmete. Die Studie gilt noch heute als Referenzwerk. Der Verband der Genfer Alters- und Pflegeheime sprach sich dafür aus, die Schulung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Hinblick auf die Pflege von Menschen mit einer Sehbeeinträchtigung zur Priorität zu machen. Marie-Paule Christiaen kümmerte sich in der Folge um den Aufbau eines interdisziplinären Ausbildungsmoduls. Dieser Lehrgang mit dem Namen «Voir +» (Mehr sehen) erhielt den SAMW-Award «Interprofessionalität» der Schweizerische Akademie der Medizinischen Wissenschaften. Im Zuge der langjährigen Zusammenarbeit mit den Alters- und Pflegeheimen entstand das Lehrmittel «Cartes sur table» (Karten auf den Tisch), in dem aufgezeigt wird, wie man sehbehinderte Bewohnerinnen und Bewohner besser begleiten kann.

2015 erhielten Marie-Paule Christiaen und Bernard Jost dank der ABA die Möglichkeit, das Kompetenzzentrum für Barrierefreiheit zu gründen. «Eine neue Herausforderung, die mir die Möglichkeit gab, mich sowohl im zwischenmenschlichen wie auch im institutionellen Bereich mit dem Thema Barrierefreiheit auseinanderzusetzen», erklärt Marie-Paule Christiaen. «Wir beschäftigen uns mit barrierefrei zugänglichen Gebäuden, barrierefreiem Internet und oder Kulturangeboten usw.» Daneben ist Marie-Paule Christiaen in ein Projekt involviert, im Rahmen dessen sehbehinderte Personen geschult werden, um sich beim Testen von Hilfsmitteln, für Sensibilisierungsveranstaltungen oder für die Co-Moderation von Events einbringen zu können.

Kurz vor ihrer Pensionierung ist Frau Christiaen zusammen mit dem Architekten Felix Bohn noch mit der Neubearbeitung der Publikation « Besser leben in einer visuell angepassten Umgebung», die den Titel «Optimierung der visuellen Umgebung» tragen wird.
Im Namen des SZBLIND ein riesiges Dankeschön an Marie-Paule Christiaen für ihren unermüdlichen Einsatz im Bereich Low Vision über die vergangenen vier Jahrzehnte.