Die Probleme mit meinen Augen begannen schon früh. Als Kind war ich schon stark kurzsichtig und musste eigentlich immer eine sehr starke Brille tragen. Anfang der 90er Jahre wurde ich dann auf beiden Augen Katarakt operiert. Es ging dann eine Weile gut, doch der „Nebel“ tauchte wieder auf. Beim rechten Auge wurde ein Nachstar diagnostiziert, der gelasert wurde. Einige Jahre später hatte ich aber wieder Schleier vor dem linken Auge.

Von Silvia Gerber

AMD: Bereiche des Sichtfelds fallen aus. Bild: photocase.com

AMD: Bereiche des Sichtfelds fallen aus.
Bild: photocase.com

Die Hoffnung, dass es wieder ein Nachstar sei, der einfach gelasert würde, hat sich schnell zerschlagen. Ich wurde zu meinem „alten Arzt“ zurückgeschickt, ging in Aarau ins Kantonspital und merkte gleich: Irgendetwas stimmt nicht. Drei Stunden war ich auf der Station. Dann hatte ich ein Gespräch mit dem Oberarzt, der mir eröffnete, dass ich Makuladegeneration hätte.

Im ersten Moment habe ich das gar nicht realisiert. Die Diagnose, dass es immer schlimmer würde, dass man nichts dagegen unternehmen könnte, ist mir gar nicht aufgegangen. Erst auf der Heimfahrt, im Auto mit meiner Tochter, habe ich das wahrgenommen. Für mich gibt es auch deshalb keine Behandlungsmöglichkeit, weil mein Auge aufgrund der starken Kurzsichtigkeit elliptisch ist, es ist „wie ein zu stark aufgeblasener Ballon“. Die nebligen, grauen Flecken, die ich am Anfang hatte, sind mittlerweile schwarz, im Zentrum sehe ich nichts mehr; nur noch hell und dunkel kann ich unterscheiden. Dann kamen Probleme mit dem rechten Auge dazu: Erst dachte ich, dort hätte ich auch AMD, doch der Arzt diagnostizierte Retinitis Pigmentosa. Mit diesem Auge werde ich also ganz erblinden.

Als die Krankheit 2007 richtig ausgebrochen ist, musste ich meinen Beruf als Krankenschwester aufgeben. Mir sind Fehler unterlaufen, vor allem beim Medikamentenrichten. Ich konnte keine Injektionen und Blutentnahmen mehr machen. Es ging also um die Sicherheit der Klienten. Ich wurde dann zur Pflegeabteilung „degradiert“, und dort bei kleinen Handreichungen eingesetzt.

Doch passierten mir hier auch Dinge, die mit meiner fehlenden Sehkraft zusammenhingen. 2009 wurde ich invalid geschrieben. Der Verlust meiner Arbeit, die ich mit viel „Herzblut“ geleistet habe, hat mich in ein grausames Loch gestürzt, Ich habe regelrecht Depressionen bekommen. Die Diagnose ist einfach endgültig. Zuerst habe ich Lucentisspritzen machen lassen, da ich eine feuchte AMD habe. Mit den Spritzen verwandelte sie sich nach einigen Wochen in eine trockene AMD, doch sie wurde wieder feucht. Nachdem ich das sechs Mal durchgemacht hatte, beendete ich die erfolglose Prozedur, da es sich hier um ein immens teures Medikament handelte, und mir der Einsatz nichts brachte. Ich nehme nun das Naturprodukt, Lutein, das förderlich für die Augen ist. Je nach Tagesform habe ich einen Sehrest von 3 bis 5 Prozent.

Jetzt bin ich zu Hause, meine Familie stärkt mir den Rücken, mein Partner hilft viel. Alleine könnte ich nicht mehr viel machen. Auswärts, wo ich mich nicht auskenne, finde ich mich nicht mehr zurecht. Trotzdem bin ich viel mit dem Langstock unterwegs. Als meinen Bekannten und Freunden meine Unsicherheit auffiel, meinten sie: Ein Blindenhund wäre etwas für dich! Seit August habe ich jetzt meine Hannah, ein Blindenführhund. Wir lernen uns gerade kennen und trainieren viel, im Moment mit dem Führgeschirr. Das ist eine anspruchsvolle Sache!

Ich hoffe, dass mir der Hund ein grosser Teil der meiner Freiheit zurückbringt. Jetzt merke ich vor allem, wie mein Horizont immer kleiner wird, da man sich nur noch dort aufhält, wo man sich auskennt. Beim Einkaufen muss ich alles in die Hände nehmen und abtasten, häufig finde ich auch die Lebensmittel in den Regalen nicht. Einkaufen macht mir auch keinen rechten Spass mehr. Man muss auf sehr viel verzichten und vieles aufgeben. Früher war ich eine begeisterte Leseratte. Handarbeiten kann ich nur noch in der Kreativgruppe machen, wo ich Hilfe habe. Aber ich habe mich mittlerweile auch umorientiert: Jetzt bin ich Mitglied im Blindenbund und im Blindenverband und habe dort neue Freundschaften gefunden. Vor zwei Jahren waren wir sogar im Tessin und haben an einem Projekt teilgenommen „Blinde fahren Auto“. Das war grossartig, weil ich früher eine leidenschaftliche Autofahrerin war. Mein Lebensmotto: Nach vorne „sehen“! Was war, das war. Was kommt, kann nur besser werden!