Von Kind auf war ich sehbehindert, auf dem linken Auge bin ich blind, doch ich konnte die normale Schule besuchen und eine Berufslehre absolvieren. 30 Jahren lang war ich mit der Lupe unterwegs und konnte mit dieser lesen. Vor drei Jahren aber hat man mit den Grauen Star operieren müssen – das ist gut gegangen. Ich musste zur Nachkontrolle, und dann meinte der Augenarzt: Sie haben da noch Makuladegeneration.

Von Ruth Tanner

Das Auge – anfällig für verschiedene Erkrankungen. Bild: photocase.com

Das Auge – anfällig für verschiedene Erkrankungen.
Bild: photocase.com

Das war für mich ein Schlag. Ich habe ja sonst schon nicht mehr gut gesehen, konnte wenigstens aber noch lesen. Nach der Diagnose war ich wie niedergeschmettert. Der Arzt hatte für mein Empfinden auch kein grosses Einfühlungsvermögen. Ich hatte im Behindertenwesen gearbeitet und viele Menschen mit AMD beraten – jetzt hätte ich mir gerne selbst mehr Beratung und Begleitung gewünscht.

Psychisch bin ich in ein richtiges Loch gefallen. Es war die schlimmste Zeit in meinem Leben. Es ist doch nicht fair: Wenn es wenigstens auf dem linken – dem blinden – Auge passiert wäre! So musste ich Abschied nehmen von meinen geliebten Kreuzworträtseln, das war sehr hart. Lesen geht nicht mehr, Schreiben auch nicht, nur ein bisschen am Computer. Und eine schwerwiegende Hörbehinderung kam in dieser Zeit auch noch dazu.

Aus meiner Berufserfahrung wusste ich auch, dass die meisten Therapien nichts nützen. Ich habe einige Jahre lang Akupunktur gemacht, aber wieder aufgehört. Jetzt lebe ich halt damit. Mein Mann hilft mir, so gut er kann, doch er braucht selbst auch Hilfe. Neuerdings habe ich eine Haushaltshilfe, die einmal pro Woche für die gröberen Arbeiten kommt. Ich gehe mit dem Langstock aus, aber nur noch an Orte, die ich von früher kenne. An neue Orte traue ich mich nicht mehr. Ich bin auf Hörbücher umgestiegen und höre viel Musik. Jede Woche besuche ich noch eine Handarbeitsgruppe in Winterthur, das ist eigentlich das einzige, was ich noch auswärts mache. Doch meine Töchter besuchen uns viel. Sie helfen bei Sachen, die liegen bleiben, eine unterstützt mich bei den schriftlichen Angelegenheiten.

Manchmal, wenn ich am Morgen aufwache, habe ich die kurze Eingebung „Jetzt sehe ich etwas besser!“ – aber es ist nicht wahr. Das ist jedes Mal eine Enttäuschung. Ich geniesse das Leben trotz allem, muss aber auch sagen: Mit AMD zu leben ist schwer.