Trotz ihres hohen Stellenwerts im Alltag sind audiovisuelle Medien für viele Menschen mit Sehbeeinträchtigung nur eingeschränkt nutzbar. Eine Studie der SRG und des SZBLIND zeigt, wo Barrieren bestehen – und wie sie beseitigt werden können. Eine entscheidende Rolle spielen dabei eine breitere Verfügbarkeit von Audiodeskriptionen, besser lesbare schriftliche und grafische Informationen und ein barrierefreier digitaler Zugang zu Medienangeboten.

Ein Mann sitzt an einem Tisch mit einem Fernseher. Er hält seinen Kopf sehr nah an den Bildschirm und bedient das Gerät mit zwei Fernbedienungen, eine in jeder Hand.
Unabhängig vom Grad der Sehbeeinträchtigung nutzen viele Betroffene Live-Fernsehen. / Bild: zVG

Von Vivianne Visschers, Verantwortliche Forschung SZBLIND

Audiovisuelle Medienangebote wie Fernsehprogramme liefern uns wichtige Informationen für die gesellschaftliche Teilhabe. Für Menschen mit einer Sehbeeinträchtigung sind diese Informationen jedoch nicht immer zugänglich. Die SRG bietet daher einen Teil ihrer Fernsehsendungen mit Audiodeskription, auch Hörfilme genannt, an. Dabei handelt es sich um eine akustische Beschreibung des visuellen Inhalts während der Dialogpausen.
Um die Barrierefreiheit der audiovisuellen Angebote der SRG zielgruppengerecht zu erweitern, ist es wichtig zu wissen, wie viele Menschen mit Sehbeeinträchtigung in der Schweiz Sendungen mit Audiodeskription nutzen und welche Präferenzen sie diesbezüglich haben. Heute beziehen wir Informationen über die Welt und Unterhaltung jedoch nicht nur über Fernsehen und Radio, sondern auch über Streaming-Dienste, Podcasts, Internetplattformen und soziale Medien. Daher stellt sich die Frage, in welchem Umfang Menschen mit einer Sehbeeinträchtigung audiovisuelle Medienangebote nutzen – insbesondere SRGProduktionen – und wie zugänglich diese für sie sind. Ein Forschungsprojekt, das Mitte 2023 von der SRG und dem SZBLIND in Auftrag gegeben wurde, nahm diese Fragestellungen in den Fokus. Die Studie wurde von Uservalue und Qualinsight durchgeführt und von der Professur für Barrierefreie Kommunikation der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften begleitet.

Hohe Teilnahmebereitschaft an der Studie
Da bislang wenig über die Nutzung audiovisueller Medienangebote durch Menschen mit Sehbeeinträchtigung bekannt war, wurde zuerst eine Interviewstudie durchgeführt. Zwanzig Personen mit unterschiedlichen Sehbeeinträchtigungen, aus verschiedenen Altersgruppen sowie aus allen drei Sprachregionen der Schweiz wurden zu Hause besucht und befragt: Welche audiovisuellen Medien nutzen sie normalerweise? Wie tun sie das? Welche Hindernisse treten auf, und welche Wünsche haben sie? Auf Basis der Interviewergebnisse wurde ein Fragebogen entwickelt, um Meinungen, Gewohnheiten und Erfahrungen einer grösseren schweizweiten Stichprobe zu erfassen. Die Umfrage wurde online und telefonisch durchgeführt. Insgesamt nahmen 324 Betroffene teil. Ein grosses Dankeschön gilt allen Teilnehmenden und Organisationen, die bei der Rekrutierung unterstützt haben!

Abbildung 1: Nutzung der verschiedenen Medienangebote von Befragten mit Sehbeeinträchtigung und blinden Befragten in Prozentzahl.

Der Fernseher als wichtige, aber eingeschränkt zugängliche Informationsquelle
Die Ergebnisse zeigen, dass mehr als drei Viertel der Befragten Live-Fernsehen nutzen und fast genauso viele Live-Radio hören – unabhängig vom Grad der Sehbeeinträchtigung (Abbildung 1). Auch zeitversetztes Fernsehen und Podcasts sind beliebt, wie eine 34-jährige Befragte mit hochgradiger Sehbeeinträchtigung erläuterte: «Bei den Podcasts ist für mich eine riesige Welt aufgegangen, es ersetzt nicht TV, aber mein Konsum ist vielfältiger geworden… » Nur ein kleiner Teil der Befragten verwendet Video-Streaming Dienste wie Netflix.
Für viele Menschen mit Sehbeeinträchtigung sind audiovisuelle Medien essenziell, um informiert zu bleiben und an gesellschaftlichen Gesprächen teilzunehmen sowie um ihre eigenen Interessen zu vertiefen. Ein 41-jähriger blinder Befragter sagte: «Es müssen schon TV-Inhalte sein, damit man auch am nächsten Tag mit den Kollegen über die Inhalte sprechen kann, z. B. der Tatort vom Sonntagabend.»
Beim Zugang zu audiovisuellen Medien bevorzugen 90% der blinden Befragten das Smartphone, während 82% der Befragten mit anderen Sehbeeinträchtigungsformen den Fernseher nutzen. Allerdings fühlen sich über 80% der Befragten bei der Nutzung audiovisueller Medien eingeschränkt: Knapp 70% nennen die fehlende Audiodeskription als Zugangsproblem. Zudem sind Texteinblendungen oft schwer lesbar, da sie nur kurz sichtbar, zu klein oder zu kontrastarm sind. Ein 83-jähriger Befragter mit Sehbeeinträchtigung kommentierte: «Wenn da viele Blitze sind oder es glitzert, dann sehe ich gar nichts mehr». Mehr als 90% der Befragten benötigen Unterstützung beim Fernsehen oder Video-Streaming (Abbildung 2). So erleben 70% ab und zu Schwierigkeiten, auf SRG-Fernsehprogramme zuzugreifen, während 16% nicht wissen, wie sie die Audiodeskription für eine Sendung aktivieren können, oder nicht dazu in der Lage sind.
Auch bei den digitalen Kanälen, über welche die SRG audiovisuelle Medienangebote offeriert, gibt es Hürden: Ein Drittel der Befragten erlebt Probleme beim Zugriff auf die SRF-Website und Streaming-Apps. So sind Navigationsverläufe in den Apps manchmal umständlich und die Texte schlecht lesbar. Auf der Website funktionieren nicht alle Tastenbefehle und das Layout wird als unübersichtlich und wenig kontrastreich wahrgenommen.

Was kann verbessert werden?
Audiodeskription ermöglicht den Zugang zu visuellen Informationen. Die Ergebnisse zeigen, dass die Audiodeskription bei sehr vielen blinden Befragten bekannt ist (85%), aber weniger bei den Befragten mit Sehbeeinträchtigung (69%). Letztere empfinden sie nicht immer als notwendig. Eine 16-jährige Teilnehmerin mit Sehbeeinträchtigung beschrieb ihre Nutzung so: «Bei Krimis, wo es sehr dunkel ist, sehe ich sehr schlecht, da nutze ich dann auch gern mal Audiodeskription oder auch, wenn sehr wenig gesprochen wird». 71% der blinden Befragten wünschen sich eine Erweiterung des Angebots an Sendungen mit Audiodeskription, während 48% der Befragten mit Sehbeeinträchtigung eine bessere Lesbarkeit von Texten am Bildschirm bevorzugen.

Die Ergebnisse verdeutlichen das grosse Bedürfnis der Betroffenen, die gleichen Angebote wie Sehende selbstständig konsumieren zu können. Um dies zu ermöglichen, sollte die SRG in drei Bereichen Verbesserungen anstreben:

1. Erweiterung und Bekanntmachung der Audiodeskription
– Mehr Sendungen mit Audiodeskription anbieten
– Informationen über das Angebot gezielt verbreiten, nicht nur für blinde Menschen, sondern auch für Menschen mit Sehbeeinträchtigungen
Weitere Informationen über die Audiodeskriptionsangebote von SRF sind im Kasten am Ende des Artikels zu finden.

2. Optimierung von Texteinblendungen und grafischen Elementen
– Grössere, kontrastreichere und längere sichtbare Texte in Nachrichtensendungen und Reportagen
– Mündliche Beschreibung eingeblendeter Informationen, z. B. Grafiken, durch Fernsehmoderatorinnen und -moderatoren
– Untersuchung der Einsatzmöglichkeiten von künstlichen Stimmen für automatisch-generierte Audiodeskription

3. Verbesserung des digitalen Zugangs
– Benutzerfreundlichere und personalisierbare Website sowie Streaming-Apps von SRF
– Erhöhte Kompatibilität mit assistiven Technologienx

Diese Massnahmen sollen sicherstellen, dass mehr Menschen mit einer Sehbeeinträchtigung in der Schweiz selbstständig auf audiovisuelle Medien zugreifen können und so uneingeschränkt an der Gesellschaft teilhaben.

Abbildung 2: Prozentanteile der Befragten, die bei der Nutzung audiovisueller Medienangebote Hilfe brauchen.

Audiodeskriptionsangebote von SRF

Weitere Informationen unter:
www.srf.ch/unternehmen/publizistisches-angebot/fuer-sehbehinderte-menschen-hoerfilme-audiodeskription

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