Die Bedeutung zugänglicher Inhalte für die berufliche Integration

von Andreas Uebelbacher

Moderne Informations- und Kommunikationstechnologien bieten enormes Potential für sehbehinderte junge Menschen und eröffnen ganz neue Berufsfelder. Leider wird dieses Potential bei weitem nicht ausgeschöpft. Der Grund: Online-Informationen zu Ausbildungen sowie Lehrmittel sind nicht in barrierefreier Form verfügbar.

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Ein Pfeil zeigt die Richtung an, doch eine Schranke steht im Weg: Auch sehbehinderte Menschen werden in ihrer Ausbildung blockiert, wenn sie beispielsweise Lehrmittel nicht früh erhalten.
Bild: zettberlin, photocase.com

Der elektronische Zugang zu Informationen ist heute mit der Verbreitung von Computern, Tablets und Smartphones allgegenwärtig. Und gerade für Menschen mit Sehbehinderungen ermöglicht die digitale Bereitstellung von Informationen ganz neue Dimensionen der Integration. So können Inhalte bedarfsgerecht ganz unterschiedlich genutzt werden, etwa von Screenreader-Software vorgelesen, auf der Braille-Zeile ertastet, oder im Bildschirmvergrösserungs-Programm stark vergrössert angezeigt.

Barrierefreier Zugang eröffnet Chancen

Behinderungen können so zu einem gewissen Grad kompensiert werden. Während vor einigen Jahren stark sehbehinderte Menschen auf einige wenige typische Berufe eingeschränkt waren, sind dadurch heute vielfältige neue Betätigungsfelder möglich: von der einfachen elektronischen Sachbearbeitung bis hin zur Programmierung.

Leider stellt sich die Realität für sehbehinderte junge Menschen oft gänzlich anders dar, und dies beginnt bereits bei der Ausbildung. So sind etwa die Websites vieler kantonaler Bildungseinrichtungen nicht barrierefrei zugänglich, obwohl sie dies gemäss Behindertengleichstellungsgesetz (seit 2004 in Kraft) sein müssten. Dadurch sind relevante Informationen zu Ausbildungsmöglichkeiten erst gar nicht mittels assistiver Technologien nutzbar. Die Anforderungen an Online-Angebote sind dabei klar beschrieben in den international geltenden Richtlinien für barrierefreie Webinhalte  (WCAG 2.0), an denen sich auch die Schweizer Gesetzgebung orientiert. Diese gibt es auch in deutscher Übersetzung und als aufbereitete Checkliste für Web-Entwickler (www.accessibility-checklist.ch).

ePUB3 ist vielversprechend

Innerhalb der Aus- und Weiterbildung zeigt sich dann ein gleichermassen desolates Bild. So erfolgt die Versorgung sehbehinderter Schüler und Schülerinnen mit Lehrmitteln in alternativen Formaten heute (1) höchst unzuverlässig, (2) in schlechter Qualität, (3) meistens mit grosser Verzögerung und ist (4) viel zu teuer. Gedrucktes Material muss bisher auf Antrag hin aufwändig neu eingescannt und nachbearbeitet werden, obwohl die Inhalte ursprünglich in digitaler Form vorgelegen hatten. Entsprechend erhält der sehbehinderte Mensch die benötigten Lehrmittel einige Monate zu spät und verpasst bereits von Beginn weg den Anschluss. Vielversprechend ist hier der E-Book-Standard ePUB3, der einfacher barrierefrei aufbereitet werden kann als PDF-Dokumente. Die Stiftung «Zugang für alle» (www.access-for-all.ch) setzt sich aktiv dafür ein, dass Lehrmittelverlage ihre Produkte künftig standardmässig auch zugänglich anbieten.

Andreas Ueberbacher ist Leiter Dienstleistungen bei „Zugang für alle“, der Schweizerischen Stiftung zur behindertengerechten Technologienutzung