Medizinische Hintergründe zur Altersbedingten Makuladegeneration – und ein Blick in die Zukunft

Von PD Dr.med. Florian Sutter

Im Grunde genommen ist die altersbedingte Makuladegeneration AMD eine „normale“ Alterserscheinung. Es handelt sich um eine Degeneration, sprich Alterung der zentralen Netzhaut. Ganz im Zentrum der Netzhaut befindet sich die „macula lutea“, der „Gelbe Fleck“ oder eben die „Makula“. An dieser Stelle ist die Netzhaut wesentlich differenzierter aufgebaut als in den äusseren Bereichen. Dies ermöglicht uns ein sehr scharfes, hoch aufgelöstes Sehen, welches wir zum Beispiel zum Lesen und zum Erkennen kleiner Details benötigen.

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Querschnitt durch die Netzhaut. Bildbearbeitung durch SZBLIND Bild: aad.to

An dieser zentralen Stelle ist der Stoffwechsel während des ganzen Lebens sehr aktiv. Es wird viel Sauerstoff umgesetzt. und zusätzlich wird das Licht von Hornhaut und Linse auf diese Stelle fokussiert. Dadurch entstehen viele so genannte „freie Radikale“. Dies sind sehr kurzlebige, aggressive Moleküle, welche wesentlich für unsere Alterung verantwortlich sind. Grundsätzlich erklärt: Dass wir altern, hängt damit zusammen, dass wir Sauerstoff atmen und diese Prozesse sind in der Netzhautmitte besonders aktiv. Nun altern alle Menschen (biologisch) gleich schnell. Manche sind schon mit 70 Jahren „vorgealtert“, andere mit über 90 noch sehr fit. Dies ist zu einem wesentlichen Teil genetisch bedingt, zu einem gewissen Teil aber auch durch äussere Faktoren wie dem Lebenswandel beeinflusst. Genauso ist es bei der AMD. Wir haben eine gewisse genetische Veranlagung, diese Altersveränderungen schon früher oder erst später zu entwickeln. Aber auch äussere (beeinflussbare) Faktoren spielen eine Rolle.

ARM und AMD

Viele wissen, dass es bei der AMD eine „trockene“ und eine „feuchte“ Form gibt. Eine andere wichtige Unterscheidung ist hingegen meist unbekannt. Die AMD entwickelt sich über Jahre oder gar Jahrzehnte sehr langsam, ohne dass die Betroffenen etwas davon merken. Nur bei der augenärztlichen Untersuchung kann der Spezialist frühe Anzeichen der Alterung erkennen. Diese nennt man Drusen und Pigmentverschiebungen. Wenn solche Veränderungen vorliegen, sieht der oder die Betroffene trotzdem oft völlig normal und hat keinerlei Symptome. Bereits von einer „Degeneration“ zu sprechen wäre in diesem Fall nicht korrekt und irreführend. Diese frühen Veränderungen werden als ARM (=“age related maculopathy“) oder „Altersmakula“ bezeichnet. Eine solche ARM ist nie „feucht“ wie die Spätform, es handelt sich aber auch noch nicht um eine „trockene AMD“, sondern eben lediglich um eine Frühform einer Erkrankung, welche vielleicht einmal später zu einem Problem wird, vielleicht aber auch nicht.

Trockene Spätform

Lichteinfall durch das Auge. Bild: www.aad.to

Lichteinfall durch das Auge.
Bild: www.aad.to

Wenn es zu einer echten „trockenen“ Spätform kommt, dann beginnt auf Grund der Alterung ein Teil der Netzhaut, das so genannte „Pigmentepithel“, abzusterben. Dieser Absterbeprozess beginnt schleichend und ohne biologische Reaktion wie bei einer Entzündung. Der Körper räumt einfach die abgestorbenen Zellen weg, und das Pigmentepithel fehlt dann. Weil dieses Pigmentepithel unabdingbar für den Sehprozess ist, kann das Sehen dadurch sehr schlecht werden. Dieser Prozess läuft sehr langsam ab, kann aber trotzdem zu einer schweren Sehbehinderung führen. Der Patient oder die Patientin nimmt eine sehr langsam abnehmende Sehschärfe vor allem beim Lesen und beim Erkennen von Gesichtern wahr.

Feuchte Spätform

Bei der feuchten oder „exsudativen“ Spätform treten unter der Netzhaut oder unter dem Pigmentepithel neu gebildete Gefässe auf. Das Wachstum dieser Gefässe wird hauptsächlich durch einen „VEGF“ genannten Wachstumsfaktor hervorgerufen. Leider sind diese neu gebildeten Gefässe keine normalen Gefässe. Sie sind nicht dicht, sondern es tritt Flüssigkeit aus diesen Gefässen aus. Dies führt zu einer Schwellung der Netzhaut im betroffenen Gebiet. Zudem sind diese Gefässe brüchig; es kommt häufig zu Blutungen in die oder unter die Netzhaut. Diese Prozesse führen rasch zu einer Vernarbung der Netzhaut, was den raschen Abfall der Sehschärfe erklärt. Die Patienten und Patientinnen erleben eine rasche Abnahme des Sehens, verbunden mit einem Verzerrtsehen. Das Verzerrtsehen (gerade Linien werden krumm) kommt durch die Schwellung der Netzhaut zustande.

Behandlungsmethoden heute

Die Behandlung der trockenen Spätform ist nach wie vor ein sehr grosses Problem. Eine wissenschaftliche Studie (die so genannte „age related eye disease study“ – AREDS) hat gezeigt, dass die Einnahme einer bestimmten Kombination von Vitaminen, Antioxidantien und Zink den Verlauf der Erkrankung etwas bremsen kann. Bereits abgestorbenes Pigmentepithel kann aber nicht wieder hergestellt werden, so dass betroffene Patientinnen und Patienten vor allem auf eine Rehabilitierung mit Hilfsmitteln (Lupen, Lesegeräte, Textvergrösserung, Kantenfilter, usw.) angewiesen sind.

Die feuchte Spätform kann heute durch Medikamente einigermassen gut behandelt werden. Diese Medikamente richten sich gegen den Wachstumsfaktor VEGF. Wenn dieser blockiert wird, können sich Schwellung und neu gebildete Blutgefässe zurückbilden, und das Sehen wird wieder besser. Unangenehm ist, dass diese Medikamente durch eine Injektion ins Auge eingebracht werden müssen. Die Behandlung ist schmerzlos, aber die Vorstellung, eine „Spritze ins Auge“ zu bekommen, ist nicht sehr angenehm. Ausserdem müssen diese Injektionen über einen längeren Zeitraum immer wieder gemacht werden, und der Verlauf muss durch den Arzt beurteilt werden. Für die Patientinnen und Patienten ist der Aufwand gross, und die Behandlung ist auch mit hohen Kosten für die Krankenkassen verbunden. Diese „anti-VEGF“-Behandlung ist aber wesentlich erfolgreicher als alle bisherigen Methoden. Trotzdem sprechen nicht alle Patientinnen gleich darauf an. Leider gibt es auch Fälle, bei denen es trotz Therapie zu einer zunehmenden Verschlechterung kommt.

Die Behandlung der AMD hat in den letzten zehn Jahren enorme Fortschritte gemacht. Die Forschung auf diesen Gebieten geht unvermindert weiter und wird sicher in den kommenden Jahren weitere Therapien ermöglichen. Konkret erwarten wir bald die Einführung von besseren Medikamenten gegen die trockene Spätform der AMD.