Formen der Sprache

 Von Valentin Arens

Ansicht des Covers "Berlin Alexanderplatz"1929 erschienen, machte „Berlin Alexanderplatz“ Alfred Döblin mit einem Schlag berühmt. Die Handlung zieht sich vornehmlich durch das kleinkriminelle Milieu der Stadt, und es ist keine Frage, dass der Dichter Döblin beim Arzt Döblin viel über den Berliner Untergrund gelernt hat. Dessen Praxis lag im Osten der Stadt und sein Beruf brachte ihn oft mit Kriminellen zusammen. Der Arzt kannte also die Menschen, der Dichter hörte ihre Sprache, die alltägliche, oder „normale Sprache“, und verwendete sie für sein Stadtepos. Die Sprunghaftigkeit und scheinbare Ziellosigkeit, der filmschnittartige Aufbau des Romans wurde vielfach mit „Ulysses“ von James Joyce und mit „Manhattan Transfer“ von John Dos Passos verglichen, zwei Büchern, die auf eine ähnliche Weise in die Grossstadtatmosphäre eintauchen.

  • Alfred Döblin: Berlin Alexanderplatz. Frankfurt am Main: Fischer, 2008. SBS-Ausleihe: DS 26403

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Ansicht des Covers "Heliogabal"Nicht Arzt einer Nervenheilanstalt wie Döblin, sondern ein langjähriger Insasse war Antonin Artaud. Die Stimmen, die er oft hörte, waren um einiges grausamer. Als Schauspieler und Theaterautor formulierte er – seinen inneren Stimmen entsprechend – den Anspruch an das „Theater der Grausamkeit“. Seine Ideen fanden grossen Anklang bei den Surrealisten, aber überhaupt keinen beim Publikum. So schrieb er quasi als Ersatz den Roman „Heliogabal oder der Anarchist auf dem Thron“. Er spiegelte darin seine Vorstellungen anhand der Geschichte des spätrömischen Kaisers, der zum Symbol für Lasterhaftigkeit und Dekadenz emporstilisiert wurde.

  • Antonin Artaud: Heliogabal oder der Anarchist auf dem Thron. München: Rogner & Bernhard, 1980. SBS-Ausleihe: DS 26863

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Ansicht des Covers "Monsieur Bougran"Steht bei Artaud eine sich den Konventionen verweigernde Sprache im Zentrum, so ist es bei Joris-Karl Huysmans im Gegenteil die Sprache der Bürokratie in seiner Erzählung „Monsieur Bougran in Pension“. Der 1848 in Paris geborene Huysmans wird den Naturalisten um Emil Zola zugerechnet. Neben seiner Schriftstellerei arbeitete er als höherer Beamter im Innenministerium und kannte sich in der Bürokratie also bestens aus. „Monsieur Bougran in Pension“ erzählt die tragisch-komische Geschichte eines kleinen Beamten, der gegen seinen Willen frühpenstioniert wird und in seiner Verzweiflung den Büroalltag in seiner Wohnung aufrechtzuhalten versucht.

  • Joris-Karl Huysmans: Monsieur Bougran in Pension. Berlin: Friedenauer Presse, 2013. SBS-Ausleihe: DS 27036

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Mit Haut und Haaren (Braille-Tipp)

Ansicht des Covers "Mit Haut und Haaren"Arnon Grünberg ist ein genauer Beobachter und hält seine Leser mit akribischen Beschreibungen allzu menschlicher Beweg- und Abgründe in Atem. Seine Protagonisten sind meist Opfer ihrer eigenen Passionen und Emotionen. Sie beginnen harmlos, werden zu fixen und unkontrollierbaren Ideen und enden unerbittlich konsequent in gnadenlosen Katastrophen. Unterhaltsam und mit eigenwilliger Komik erzählt er auch in „Mit Haut und Haaren“von diesem seltsam eigendynamischen Sog, welcher Menschen ergreift und ruiniert.

  • Arnon Grünberg: Mit Haut und Haaren. Zürich: Diogenes, 2012. SBS-Ausleihe: BG 20782