Die Forschung tut sich schwer, der Volkskrankheit AMD etwas entgegenzusetzen
von Stefan Müller

Sie macht zwar nicht blind, aber beeinträchtigt den Lebensalltag erheblich. Sie nimmt einem die scharfe Sicht, lässt die Farben verblassen, verunmöglicht das Lesen – sodass schliesslich der Alltag ohne Hilfsmittel nicht mehr selbständig bestritten werden kann. Die Rede ist von der altersbedingten Makuladegeneration.

Die altersbedingte Makuladegeneration (AMD) ist bei älteren Menschen eine der häufigsten Augenerkrankungen, die zum Verlust des zentralen Sehvermögens führt und damit zum Verlust der Sehschärfe. Sie verursacht ein Absterben der lichtempfindlichen Zellen im Zentrum der Netzhaut, der so genannten Makula (auch gelber Fleck genannt). Mit der Makula können wir scharf sehen. Die AMD führt oft dazu, dass die betroffenen Menschen nicht mehr fixieren können und nichts mehr scharf sehen. Unterschieden wird zwischen der häufigeren, aber langsam verlaufenden «trockenen» Form und der «feuchten» Form. 15 % der Betroffenen haben eine feuchte Makuladegeneration, welche unbehandelt schnell zu einer schweren Sehbehinderung führt. In der Schweiz leiden gemäss Auskunft von Retina Suisse zirka 60‘000 Menschen an einer Makuladegeneration. 25% der über 70-Jährigen, 30% der über 80-Jährigen und 50% der über 90-Jährigen sind davon betroffen. Inzwischen ist die Erkrankung im Zuge der gesellschaftlichen Alterung zu einer eigentlichen Volkskrankheit geworden. Schätzungen gehen davon aus, dass die Zahl der Betroffenen entlang der demografischen Veränderung weiter zunehmen wird, besonders bei der trockenen Form. Währenddessen bei der feuchten Form eher eine Trendwende zu erwarten ist.

Therapieerfolge nur für wenige?

Die gute Nachricht vorweg: für die schwerer und dramatisch verlaufende feuchte AMD steht seit Einführung der so genannten Anti-VEGF-Therapie eine potente Behandlungsmethode zur Verfügung. Der Ansatz für die Behandlung besteht in der Hemmung des krankhaften Blutgefässwachstums durch eine gezielte Blockade des Wachstumsfaktors VEGF-A (vaskulärer endothelialer Wachstumsfaktor). Mit der Injektion eines Antikörpers ins Auge wird dies erreicht. Die Spritzen werden monatlich verabreicht, meist ist eine langfristige Behandlung notwendig. «Anti-VEGF hat die Therapie revolutioniert», ist Christina Fasser von Retina Suisse überzeugt. Es ist die erste und zurzeit einzige klinisch nachgewiesene Behandlung, die das Sehvermögen der Patienten stabilisieren oder in einigen Fällen sogar verbessern kann. Die Grunderkrankung bleibt aber bestehen. Mittlerweise lassen sich in der Schweiz mehr als 90 % aller Betroffenen damit behandeln.
Demgegenüber gibt es bei der langsam verlaufenden trockenen Makuladegeneration, woran die grosse Mehrheit der AMD-Erkrankten leidet, noch keine durchschlagenden Therapierezepte. Im besten Fall erfolgt eine Verlangsamung des Krankheitsprozesses. Eingesetzt werden vorab Antioxidantien und hochdosierte Vitamine und Mineralstoffe (E, C ergänzt mit Beta-Carotin und Zink). «Hochdosierte Vitamine sollten aber nur in Absprache mit dem Augenarzt eingenommen werden», betont Christina Fasser. Die Forschung bleibt derweil zwar nicht untätig – mit Erfolgsmeldungen kann sie indes kurzfristig kaum aufwarten. Aufgrund aktueller Studien rechnet Fasser damit, dass in drei bis fünf Jahren einige Medikamente zur Verfügung stehen, die die trockene AMD zumindest verlangsamen können. Erste Sicherheitsversuche mit Stammzellen zur Behandlung der trockenen Form wurden in den USA erfolgreich durchgeführt. Marktreife erreichen solche Ansätze jedoch kaum vor zehn Jahren.

Hilfsmittel brauchen Übung

Lupen, die wahllos abgegeben werden wie von Pro Senectute an alle über 75-Jährigen oder von Coop an seinen Einkaufswägelchen, erachtet Susanne Trefzer vom SZBLIND als «kompletten Unsinn». Gutsehende würden die Lupen nicht verwenden, und Sehbehinderte verpassten den Zeitpunkt für die Anschaffung einer neuen Brille. Besser sollte man sich an eine Fachstelle für Sehbehinderte wenden, die es in allen Regionen der Schweiz gibt. Wenn die Sehfähigkeit mit medizinischen Massnahmen nicht weiter zu verbessern ist, ist eine sogenannte Low Vision-Abklärung angezeigt. Vergrösserungsbedarf, Blendempfindlichkeit oder benötigte Lichtverhältnisse werden sorgfältig und ohne Zeitdruck abgeklärt. Daraus erschliesst sich die optimale Nutzung des vorhandenen Sehvermögens. Es stehen sodann zahlreiche Hilfsmittel zur Verfügung wie Lupenbrillen, Lupen, Lesegeräte, Filterbrillen oder Monokulare. Die regionalen Beratungsstellen für Sehbehinderte können auch praktische Hilfen für den Alltag zeigen und vermitteln. Der Nutzen von Hilfsmitteln hängt stark von Gebrauchstraining ab, wie durch Studien belegt ist: Die Low Vision-Spezialistin legt deshalb grossen Wert auf das gewissenhafte Einüben des Gebrauchs der Hilfsmittel. Hinzu kommt das Training der «guten Netzhautstellen» – keine Selbstverständlichkeit laut Susanne Trefzer. AHV und IV sowie die Ergänzungsleistungen übernehmen einen Teil der Anschaffungskosten von Hilfsmittel, die vor allem bei den elektronischen Geräten, ins Geld gehen können.

Was können Betroffene selbst tun?

Unterstützend bei einer AMD-Behandlung wirkt eine gesunde Lebensweise. Es gilt die beeinflussbaren Risikofaktoren zu eliminieren, beispielsweise das Rauchen als Risikofaktor Nummer eins. Auf eine gesunde Ernährung ist weiter zu achten, vorab auf das Zuführen natürlicher Vitamine und Mineralstoffe. Der Speisezettel enthält dabei viel dunkelgrünes Blattgemüse, frisches Obst und viel Fisch, reichhaltig an Omega-3-Fettsäuren. Wichtig ist es auch, sich gut gegen Licht zu schützen. Und ab vierzig empfiehlt sich eine regelmässige Kontrolle beim Augenarzt, insbesondere für die Kinder von AMD-Erkrankten, die dadurch frühzeitig und wirksamer behandelt werden können.