Die 10 grössten Stolpersteine für Blinde und Sehbehinderte im Internet

von Markus Riesch

Gute Kontraste machen Websites für sehbehinderte Personen zugänglich.
Bild: Damian Imhof, kurzschuss photography

Die Gestaltung barrierefreier Websites ist keine Hexerei, häufig fehlt aber das Bewusstsein fürs Thema. Bei den Workshops, die wir als Stiftung «Zugang für alle» bei Firmen durchführen, stellen wir immer wieder fest, dass Barrierefreiheit erstaunlich einfach umgesetzt werden kann, wenn die Verantwortlichen einmal live miterlebt haben, wie ein blinder Anwender mit Braillezeile und Screenreader in Internet surft, und welche Probleme sich dabei stellen. Hier schildern wir die grössten Stolpersteine und geben Tipps, wie sie umgangen werden können.

Visuelle Vermittlung
Häufig sind Informationen auf einer Website nur visuell als Bilder, grafische Elemente, Icons oder Videos vorhanden. Dadurch gehen diese Informationen bei nicht-visueller Nutzung verloren, und die Bedienung einer Website wird erschwert oder gar verunmöglicht.

Tipp:

  • Informationsvermittelnde Bilder mit aussagekräftigem Alternativtext versehen
  • Bei verlinkten Grafiken einen Alternativtext über den Linkzweck einfügen
  • Dekorative grafische Elemente nur mit einem leere Alt-Attribut ausstatten

Tabellen
Tabellen werden häufig für die Platzierung von Elementen auf einer Website verwendet, obwohl das nicht deren Einsatzzweck ist. Dadurch liest ein Screenreader eine Website nicht mehr korrekt oder nicht in der richtigen Reihenfolge vor, wodurch die Seite unverständlich wird.

Tipps:

  • Tabellen nur zur Darstellung von Daten verwenden, nicht zu Layoutzwecken.
  • Tabellen mit Zeilen- und/oder Spaltenüberschriften versehen, damit die Zuordnung der einzelnen Zellen möglich ist.

Formulare

Eine barrierefreie Website kann Schriften problemlos vergrössern.
Bild: Damian Imhof, kurzschuss photography

Formulare sind vielfach nicht korrekt programmiert, so dass das Ausfüllen mittels Screenreader zur Qual wird. Besonders problematisch sind Fehlermeldungen, die vom Screenreader nicht vorgelesen werden, oder Formularfelder, deren Beschriftung gar nicht erst erkannt wird.

Tipps:

  • Beschriftungen und zugehörige Eingabefelder miteinander verknüpfen
  • Mehrteilige Formulare als Informationsblöcke gruppieren und inhaltlich zusammenstellen
  • Fehlermeldungen so programmieren, dass der Screenreader sie vorlesen kann.

Struktur
Die fehlende Struktur einer Website ist oft der grösste Stolperstein. Navigation, Inhalt, Kontextspalte oder Fussbereich sind visuell meist gut erkennbar, für Blinde und Sehbehinderte lassen sich diese aber nicht abgrenzen. Das Surfen wird zur frustrierenden Lotterie.

Tipps:

  • Die Inhalte einer Webseite mittels Überschriften strukturieren
  • Überschriften mit dem Überschriften-Element (h1, h2, … , h6) auszeichnen
  • Aufzählungen als Listen (ul, ol, dl) formatieren

Kontrast und Design
Ein ungenügender Kontrast zwischen Schrift und Hintergrund und eine schlechte Farbwahl stellen für Sehbehinderte grosse Probleme auf den meisten Websites dar.

Tipps:

  • Kontrast von Schrift zum Hintergrund standardgemäss auswählen.
  • Alle Elemente so programmieren, dass sie beim Ansteuern mit der Tastatur gut sichtbar hervorgehoben sind.
  • Keine grafischen Darstellungen von Text verwenden, ausser in Logos

Skalierbarkeit und Schriftgrössen
Schwierig für Sehbehinderte – wie auch für viele „Normalsichtige“ – ist ein zu kleiner Text auf vielen Websites. Das Design einer barrierefreien Website sollte es erlauben, dass die Schrift problemlos vergrössert werden kann, ohne das Design zu „zerreissen“.

Tipps:

  • Die Textgrösse (Font-Size) in den CSS nur proportional definieren (in % oder „em“) – nun ist Vergrössern im Browser problemlos möglich

Screenreader-/Tastaturbedienbarkeit
Die Bedienbarkeit durch Screenreader oder nur mittels Tastatur ist oft auf Websites nicht möglich. Gewisse Funktionen und Inhalte können so nicht benutzt werden. Häufig bemerken blinde Anwender gar nicht, dass solche Bereiche überhaupt vorhanden sind.

Tipps:

  • Alle Elemente so programmieren, dass sie mittels Screenreader und Tastatur erreichbar und verständlich bedienbar sind.

Verständliche Link-Beschriftungen
Die fehlende Verständlichkeit von Links (z.B. „mehr“) ist für blinde Anwender eine zusätzliche Schwierigkeit, eine Website lesen zu können. Dieser Stolperstein lässt sich durch kurze, aussagekräftige Linktexte leicht vermeiden

Tipps:

  • Linktexte so formulieren, dass sie aus sich selbst heraus oder über den Kontext verständlich sind.
  • Auf Formatwechsel im Linktext oder im Kontext hinweisen (z.B. „PDF“).

Moderne Webtechnologien (JavaScript, AJAX/RIA)
Aktuelle Technologien ermöglichen die Erstellung komfortabler Websites, z.B. durch den Datenaustausch mit dem Server, ohne dass eine Webseite neu geladen werden muss. Allerdings sind diese Technologien leider immer noch überwiegend nicht barrierefrei zugänglich.

Tipps:

  • Moderne Webtechnologien nur ergänzend einsetzen, um die Nutzungserfahrung derjenigen zu verbessern, bei denen die Technologie funktioniert, ohne alle anderen auszuschliessen.

PDF
Im Internet werden immer mehr PDF-Dokumente publiziert. Leider sind diese allerdings ohne spezielle Bearbeitung nicht zugänglich, und Menschen mit Behinderungen können die dort enthaltenen Informationen nicht oder nur teilweise lesen. Doch Word ist keine Alternative für PDF! PDFs sind besser geeignet als barrierefreie Dokumente.

Tipps:

  • Auch ein PDF-Dokument mit Strukturinformationen („tags“) versehen, welche einen effizienten Zugang zum Inhalt, beispielsweise durch Überschriften, ermöglichen

Markus Riesch ist Geschäftsführer der Stiftung «Zugang für alle».

 

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Lösung für das leidige PDF-Problem

PDFs sind aus der digitalen Arbeitswelt nicht mehr wegzudenken. Sehbehinderte Menschen kämpfen aber beim Umfliessen oder Vergrössern von Texten gegen die nicht chronologisch aufbereitete Abfolge von Titel, Bildern, Bildbeschriftungen, Überschriften und Absätzen. Da erübrigt sich auch der Einsatz von assistiven Technologien, mit welchen zusätzliche Vergrösserung möglich ist. Daher machen viele sehbehinderte Menschen einen grossen Bogen um PDFs.

Ein gemeinsames Projekt der Stiftung „Zugang für Alle“, des SZB und der Firma xyMedia als Umsetzungspartner will eine Antwort auf dieses drängende Problem finden: Bis Sommer 2013 wird gemeinsam ein PDF-Reader entwickelt, der PDF-Dokumente – barrierefreie und nicht-barrierefreie – als linearisierte HTML/XML-Dokumente in korrekter Lesereihenfolge aufbereitet. So werden PDFs sehbehindertengerecht umgewandelt. Weitere Informationen: www.szblind.ch/aktuelles