Zwei Frauen sitzen auf einem Sofa, sie kommunizieren in taktiler Gebärdensprache.
Kommunikationsassistenz ermöglicht Menschen mit Hörsehbehinderung den Zugang zur Kommunikation mit ihrem Umfeld. / Bild: Daniel Winkler

Eine Beeinträchtigung des Sehens und des Hörens bedeutet immer auch eine Beeinträchtigung der Kommunikation, der Orientierung und Mobilität sowie des Zugangs zur Information. Zur Aufrechterhaltung der Lebensqualität und eines selbstbestimmten Lebens hat der SZBLIND vor bald 20 Jahren eine Ausbildung zur Kommunikations-Assistenz entwickelt. Die nächste Ausbildung startet im September 2024 in Lausanne.

Von Tina Aeschbach, Leiterin Kompetenzzentrum erworbene Hörsehbehinderung SZBLIND

Kompensation der beiden Sinne auf Distanz
Die gleichzeitige Einschränkung des Seh- und Hörvermögens erschwert die Strategien zur Kompensation des Hörens mit dem Sehen, wie es eine gehörlose Person tut und umgekehrt des Sehens mit dem Hören, wie es Menschen mit Sehbehinderung tun. So kann es beispielsweise sein, dass eine Person mit Hörsehbehinderung nicht auf das Lippenlesen als alternative Kommunikationsform ausweichen kann, da sie das Gesicht ihres Gesprächspartners nicht klar erkennt. Um dennoch eine erfolgreiche Kommunikation zu ermöglichen, müssen sowohl die betroffene Person als auch deren Umfeld neue und individuell angepasste Kommunikationsformen erlernen. Eine Hörsehbehinderung kann deshalb nicht isoliert betrachtet werden, sie hat grossen Einfluss auf das soziale Miteinander und betrifft demnach immer auch das Umfeld.

Barrieren überwinden
Die Folgen einer Hörsehbehinderung sind vielfältig und machen sich in fast allen Lebensbereichen bemerkbar. Die Kommunikation mit anderen Menschen kann schwierig sein, wie es im vorangehenden Beispiel illustriert wurde. Zudem sind Orientierung und Mobilität erschwert, da die visuellen und auditiven Informationen zur Orientierung meist nicht ausreichend wahrgenommen werden können. Der Zugang zur Information gestaltet sich ebenfalls schwierig, da dieser oft nicht die Bedingungen erfüllt, damit Menschen mit Hörsehbehinderung sich informieren können.
Um diese Barrieren zu vermindern oder zu umgehen, entwickeln hörsehbehinderte Menschen Strategien, lernen den Umgang mit Hilfsmitteln oder nehmen die Unterstützung von Menschen in ihrem Umfeld in Anspruch.

Wer kann Kommunikations-Assistenz in Anspruch nehmen?
Die Kommunikations-Assistenz (KA) ist Teil der zur Verfügung stehenden professionellen Unterstützung für Klientinnen und Klienten der sieben SZBLIND Fachstellen Hörsehbehinderung und Taubblindheit, die in der ganzen Schweiz zu finden sind. Die KA übernimmt auf Anfrage in einem klar definierten Rahmen einen Auftrag, führt diesen aus und erhält ein Honorar dafür.
Alle Klientinnen und Klienten können mittels eines einfachen Formulars ein KA Budget beantragen. Dieser Antrag wird von der Leiterin der SZBLIND Fachstellen Hörsehbehinderung und Taubblindheit beurteilt. Die Klientinnen und Klienten fragen die KA selbst an und erteilen ihnen einen Auftrag. Im Sinne der Selbstbestimmung ist der SZBLIND hier nicht involviert. Damit das Angebot der KA Dienstleistung möglichst niederschwellig zugänglich ist, übernimmt der SZBLIND den restlichen administrativen Aufwand bezüglich Honorarabrechnung, Sozialversicherung etc.

Die Ausbildung zur Kommunikations-Assistenz
Der SZBLIND hat eine spezifische Ausbildung zur KA entwickelt. Diese Ausbildung erstreckt sich über 20 Tage und gliedert sich in 5 Module, die jeweils mit einem Kompetenznachweis abgeschlossen werden. Die Ausbildung schliesst mit einem SZBLIND-Zertifikat ab. Die nächste Ausbildung startet im September 2024 in Lausanne.
Die Teilnehmenden in dieser Ausbildung lernen, was Hörsehbehinderung oder Taubblindheit ist und werden darauf sensibilisiert, wie sich diese Beeinträchtigung auf den Alltag der betroffenen Menschen und deren Umfeld auswirkt. Ein besonderer Fokus liegt einerseits auf der «Sehenden Begleitung», das heisst darauf, wie man eine Person mit Hörsehbehinderung richtig führt und andererseits auf dem Kennenlernen der verschiedenen Kommunikationsformen. Darüber hinaus wird der Zugang zur Information durch die Beschreibung der Umgebung und das Ermöglichen der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben geübt. Die Teilnehmenden lernen auch, wie sie die schriftliche Kommunikation an die Bedürfnisse von Menschen mit Hörsehbehinderung anpassen können. Ein weiterer wichtiger Aspekt, der behandelt wird, sind ethische Fragen sowie die Förderung des Empowerments.
Ebenfalls Teil der Ausbildung ist ein Praktikum. Die Teilnehmenden haben hier die Möglichkeit, das erworbene Wissen in der Begleitung von Personen mit Hörsehbehinderung oder Taubblindheit anzuwenden und praktische Erfahrungen zu sammeln.

Die Aufgaben der Kommunikations-Assistenz
Die KA begleitet Menschen mit Hörsehbehinderung oder Taubblindheit beim Verrichten beruflicher oder wichtiger alltäglicher Geschäfte und bei der Teilhabe am gesellschaftlichen und kulturellen Leben. Der Auftrag beinhaltet in der Regel immer eine Form von Kommunikation mit einer Drittperson. Die Haupttätigkeiten sind:
− Zwischenmenschliche Kommunikation sicherstellen, jedoch nicht reines Dolmetschen
− Thematische Recherchen durchführen
− Zugang zu Informationen im Allgemeinen erleichtern (auch bei administrativen Aufgaben sowie bei kulturellen und Freizeitaktivitäten)
− Vermitteln von Vorinformationen, Umgebungsinformationen, Sicherung und Nachbereitung (Überprüfung) der Information
− Unterstützen bei der Mobilität und begleiten in einer Kommunikationssituation und/oder beim Zugang zu Informationen.

Die KA kann Auftraggebende zum Beispiel an einen Kurs, ein Familientreffen, eine Sitzung, einen Vortrag, eine Führung, zu einem Arztbesuch, in eine Therapie etc. begleiten. Sie können auch damit beauftragt werden, eine Recherche im Internet durchzuführen, Protokolle zu schreiben oder bei administrativen Arbeiten zu unterstützen.

Eine nebenberufliche Tätigkeit
Die KA wird stundenweise gemäss des KA Reglements des SZBLIND für ihre Einsätze bezahlt. In der Westschweiz ist der SZBLIND dabei, das System der KA auf- und auszubauen. Die Einsätze als KA sind eine nebenberufliche Tätigkeit, deren Art und Häufigkeit von den Bedürfnissen der Auftraggebenden abhängt und daher sehr variieren kann.


Weiterführende Informationen

Die Ausbildung zur KA beim SZBLIND bietet eine fundierte und praxisnahe Qualifikation, um Menschen mit Hörsehbehinderung oder Taubblindheit in ihrer Selbstbestimmung und sozialen Teilhabe zu unterstützen. Sie steht hörenden und gehörlosen Personen offen und erfordert keine speziellen Vorkenntnisse. Bei Interesse an der Ausbildung zur KA in Lausanne finden Sie unter folgenden Links weiterführende Informationen:

− Ausschreibung und weiter Informationen zur KA Ausbildung:
www.ucba.ch/actualites/detail/news/formation-dassistant-e-en-communication

− Informationen über die Fachstelle Hörsehbehinderung und Taubblindheit des SZBLIND: www.taubblind.ch

− Portraits von drei Personen mit Hörsehbehinderung und Taubblindheit: https://www.youtube.com/watch?v=D—NRDoOio