Ein Gespräch mit visoparents-Direktorin Carmelina Castellino

von Ann-Katrin Gässlein

visoparents schweiz wird 50 Jahre alt. Heute reagiert der Verein mit einem breiten Angebot auf die Bedürfnisse von Eltern blinder, seh- und mehrfach behinderter Kinder. Diese haben sich in Lauf der letzten Jahrzehnte gewandelt.

Frau Castellino, wenn Sie im Zug oder im Tram gefragt werden, wo Sie seit einem halben Jahr neu arbeiten – was antworten Sie?

Mit Visionen für visoparents schweiz: “Ein Traum von uns wäre, das Kinderhaus Imago zu exportieren“
Bild: Damian Imhof, Kurzschuss GmbH

Als Direktorin leite ich seit Juni 2012 die operativen Geschicke von visoparents schweiz – eines Vereins, der, wie der Name besagt, mit Sehen und mit Eltern zu tun hat. visoparents schweiz vertritt die Interessen von Eltern blinder, seh- und oft auch mehrfach behinderter Kinder. Der Schwerpunkt hat sich in den letzten Jahren verschoben: Heute können blinde oder sehbehinderte Kinder oft in die Regelschule integriert werden. Mehrfach behinderte Kinder, bei denen die Sehbehinderung als Begleiterscheinung dazu kommt, brauchen aber sehr spezifische Förderung und Unterstützung.

Was bietet visoparents schweiz für die Eltern dieser Kinder an?

Unser Schwerpunkt liegt in der Integration und Förderung von Kindern ab Wickeltisch bis ins Alter von etwa 18 Jahren. Laut unseren Statuten sind wir eine Organisation der Selbsthilfe und stellen daher Dienstleistungen für betroffene Eltern zur Verfügung. Alle Angebote entwickeln wir aufgrund ihrer Bedürfnisse, dafür gibt es auch regelmässige Mitgliederbefragungen. So wurde zum Beispiel das Kinderhaus Imago vor fünf Jahren gegründet. Einen kita-Platz für ein mehrfach behindertes Kind zu finden, ist nämlich extrem schwierig. Daneben führen wir seit 1974 eine Tagesschule, sind in der heilpädagogischen Früherziehung und Beratung aktiv und bieten Entlastungsdienste sowie Freizeitveranstaltungen für Eltern und Kinder an.

Das Kinderhaus Imago ist in seinem Konzept einzigartig in der Schweiz. Können Sie schon eine Bilanz ziehen?

Im Kinderhaus Imago hat etwa die Hälfte aller Kinder ein Handicap. Wir haben kürzlich die dritte Gruppe eröffnet, und diese war praktisch sofort voll besetzt. Die meisten Kinder kommen unmittelbar aus der Region; in anderen Teilen der Schweiz gibt es aber ebenso Bedarf. Ein Traum von uns wäre, das Imago zu exportieren und weitere Kinderhäuser in der Schweiz zu eröffnen. Aber zunächst müssen wir in die schwarzen Zahlen kommen. Das Imago wurde unter anderem mit einer Anschubfinanzierung vom Bundesamt für Sozialversicherungen unterstützt, die natürlich nicht ewig weiterläuft.

Welche Rolle spielen Spenden für die Finanzierung der Angebote?

Eine sehr grosse. Im Kinderhaus konnten wir dank Spenden zum Beispiel den so genannten Snoezelen-Raum einrichten: Dieser spezielle Raum ist mit Lichtelementen und Musik ausgestattet, um hyperaktive Kinder zu beruhigen und andere zu aktivieren, zum Beispiel die Wassersäulen mit Sprudeln. Es gibt ein Wasserbett, das Töne überträgt – hervorragend für gehörlose Kinder.

Sie haben die Tagesschule, die Früherziehung und den Entlastungsdienst erwähnt. Welchen Bedürfnissen entsprechen diese Angebote?

In der Tagesschule stellen wir sicher, dass auch schwer mehrfach behinderte Kinder ihr Recht auf Bildung erhalten. Dies beinhaltet aber auch, dass sie Strategien zur Alltagsbewältigung lernen, mit Hilfe von Heilpädagoginnen und Heilpädagogen. Unser ältester Zweig ist die Sonderpädagogische Beratungsstelle mit ihrem Kernangebot der heilpädagogischen Früherziehung. Neu ist unser Entlastungsangebot im Kinderhaus und in der Schule. Kurz gesagt: Während einiger Ferienwochen und Wochenenden im Jahr bieten wir zusätzliche Betreuung für die Kinder an, die dann vor allem aus Spielen und Spezialprogramm besteht. Auch das entsprach einem klaren Wunsch von Seiten betroffener Eltern.

visoparents schweiz wird 50 Jahre alt – Was sind Ihre Ziele für die nächsten 50 Jahre?

Tagesschule von visoparents: Auch mehrfach behinderte Kinder haben ein Recht auf Bildung.
Bild: visoparents schweiz

Im Moment geht es mir vor allem darum, visoparents schweiz organisatorisch zu stärken und zu profilieren. Wir stehen an der Schwelle zur einer weiteren Professionalisierung, wie viele andere Nonprofit-Organisationen auch. Der Kanton Zürich plant zudem bei der Tagesschule einen Systemwechsel, weg von der Defizitgarantie hin zu einer Leistungsvereinbarung. Damit will er – wie wir natürlich auch – Qualität auf hohem Niveau sichern. Für uns heisst das vor allem, dass wir uns auch in Zukunft den achtsamen Umgang mit Kindern und die ganz individuelle Betreuung weiterhin auf die Fahnen schreiben.

Besten Dank für das Gespräch!

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Jubiläumsjahr 2013

50 Jahre visoparents schweiz werden im Jahr 2013 gebührend gefeiert. Dabei setzt der Elternverein saisonale Schwerpunkte, die jeweils an eine Abteilung gebunden sind, und trägt die Berichte zu einer Festschrift zusammen, die zum Jahresabschluss erscheinen soll:

  • 6. März 2013: „Klangtag“ der Tagesschule auf dem Wochenmarkt in Zürich-Oerlikon
  • 18. April 2013: Jubiläums-Generalversammlung mit Musik der Behindertenband „Die Regierung“ im Restaurant Falcone in Zürich
  • 5. Mai 2013: Veranstaltung „Klang ist unsere Welt“ mit Podiumsgespräch, Apéro und Orgelkonzert von Bruno Reich in der reformierten Kirche Zürich-Oerlikon
  • 12. – 17. August 2013: Bärenwoche, unter anderem mit der Märchenerzählerin „Prinzessin Lillifee“ Sue Bachmann und Honigfest mit Brunch und Spielen vor dem Kinderhaus Imago
  • 28. September 2013: Offizielles Jubiläumsfest auf der Jucker Farm AG in Seegräben mit z’Morge, Blindenparcours, Malwettbewerb und vielem mehr
  • 12. November 2013: Fachreferat „Bär, Kasper, Puppe und Co – nur ein Kinderspiel?“ bei visoparents schweiz in Dübendorf

Weitere Informationen: www.visoparents.ch